In Griechenland dürfen homosexuelle Paare weder heiraten noch Kinder adoptieren. Der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis will das ändern und die Ehe sowie die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare ermöglichen. Doch innerhalb seiner eigenen Partei Nea Dimokratia gibt es Zweifler. Denn neben liberalen Politikerinnen und Politikern gibt es auch viele erzkonservative. Würden diese das neue Gesetz mittragen, könnten sie damit ihre Wiederwahl riskieren, gerade in ländlichen oder sehr konservativen Gebieten.
Gegenstimmen gibt es auch aus der Bevölkerung. Tausende haben am Wochenende gegen das Gesetz protestiert. «Die Gegnerinnen und Gegner fühlen sich in ihren traditionellen Werten bedroht. Sie befürchten, dass sich die gesellschaftlichen Normen dadurch verschieben, gerade was das Thema Kinder angeht», erklärt Rodothea Seralidou. Sie ist freie Journalistin und befindet sich in Athen.
Umfragen zeigen, dass die griechische Bevölkerung mit einer kleinen Mehrheit dafür ist, dass homosexuelle Paare heiraten dürfen. Überwiegend dagegen sind sie jedoch bei der Adoption, dem Kinderkriegen und der Leihmutterschaft. Mit dem Gesetzesentwurf soll für gleichgeschlechtliche Paare auch die Adoption ermöglicht werden.
Die Stimme der Kirche wirkt stark
Einen grossen Einfluss sieht Seralidou in der Ablehnung der Kirche. Die Bischofskonferenz, das oberste Gremium der orthodoxen Kirche, hat sich Ende Januar einstimmig gegen den Gesetzentwurf gestellt, der die Ehe für alle vorsieht.
«Es gibt keine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Die orthodoxen Pfarrer haben einen Beamtenstatus. Und fast alle Griechinnen und Griechen lassen ihre Kinder orthodox taufen. Fast alle sind also Kirchenmitglieder, egal ob sie streng religiös leben oder nicht», sagt Journalistin Seralidou. Die Kirche sieht sich legitimiert, sich einzumischen, gerade in gesellschaftliche Themen wie Ehe, Kinder und Familie.
Trotz der Widerstände von der Kirche, aus der Bevölkerung und aus der Partei des Ministerpräsidenten Mitsotakis stehen die Chancen für das Gesetz gut. Denn Mitsotakis kombiniert ein liberales und ein konservatives Profil: «Es gibt Anhänger seiner Partei, die sich Reformen wünschen und die auch Fortschritte in Sachen Menschenrechte gutheissen. Andererseits hat er als konservativer Politiker ein besseres Verhältnis zur Kirche, als es zum Beispiel die linke Syriza je haben könnte.» Deshalb schlage auch der Athener Erzbischof bei seinen Äusserungen eher leise Töne an.
Dazu kommt: Die Reform war ein Wahlversprechen Mitsotakis' an die griechische LGBTQ-Community. Er weiss zudem, dass die linken Parteien im Parlament die Rechte von Minderheiten sehr hoch auf der Agenda haben. «Mitsotakis nutzt auch die Gunst der Stunde, um die Reform vorwärtszubringen.»
Chancen für die Reform stehen gut
Es ist davon auszugehen, dass einer von drei konservativen Abgeordneten gegen die Reform stimmen wird. Doch Rückenwind bekommt Mitsotakis von der linken Opposition. Somit dürfte er auf die nötige Mehrheit der Stimmen kommen, damit die Reform im Parlament durchkommt.