Es ist ganz schön viel Druck im Kessel. Jene, die in ihren Gemeinden Geflüchtete unterbringen und integrieren müssen, haben Alarm geschlagen. Besonders laut geschah das auf der grossen öffentlichen Bühne im ZDF: «Wir fühlen und alleingelassen», sagte dort Jens Marco Scherf, Landrat eines bayrischen Landkreises.
Scherf und andere haben einen Brief direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben. Einen «Hilferuf», nennt Scherf den Brief.
Ein Hilferuf deshalb, weil viele Gemeinden längst tun müssen, was sie eigentlich vermeiden möchten: Geflüchtete in Massenunterkünften unterbringen und das viel länger als geplant. Vielerorts erschöpfen sich die Möglichkeiten. Es fehlt aber auch an Ehrenamtlichen und es fehlt an Geld.
Wenig Konkretes von der Bundesregierung
Jetzt trafen sich Bund, Länder und Kommunen zu Beratungen. Dabei gab es vor allem ein Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung. So sprach Innenministerin Nancy Faeser von einer grossen gemeinsamen Kraftanstrengung.
Bund, Länder und Kommunen sollen sich künftig besser abstimmen. «Wir haben neue, feste Arbeitsstrukturen geschaffen, die sich regelmässig zusammensetzen und über alle drei Ebenen konkrete Arbeitsergebnisse erzielen wollen», sagte Faeser nach dem Treffen. Solche Strukturen habe es bislang nicht gegeben.
Nach Ostern soll dann erneut darüber gesprochen werden – auch über Geld. Denn davon gibt es vorerst nicht mehr. 2.75 Milliarden Euro sind für dieses Jahr eingeplant.
Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, gab sich enttäuscht nach dem Treffen. «Es ist leider nicht der Fall, dass wir während des vierstündigen Treffens nur hervorragende Ergebnisse produziert haben.» Sager erneuerte den Aufruf zur Unterstützung.
Mangel an allen Ecken und Enden
In der Tat sei die Situation vielerorts extrem angespannt, sagt Hannes Schamman, Professor für Migrationspolitik an der Uni Hildesheim. Es fehle nicht nur an Räumen zur Unterbringung der Menschen, auch Kitaplätze und Schulen.
Es ist ein katastrophaler Zustand in vielen Kommunen.
Dringend brauche es auch mehr Arbeitskräfte bei den Ausländerbehörden. «Es gibt lange Wartezeiten von bis zu mehreren Monaten für einfachste Anträge», sagt Schamman. Das behindere die Integration, auch in den Arbeitsmarkt. «Es ist ein katastrophaler Zustand in vielen Kommunen.» Dieses Behördenversagen müsste eigentlich auch auf den Tisch, betont er. Er empfiehlt Vereinfachungen und eine Digitalisierung.
Insgesamt seien die Kommunen aber besser aufgestellt als 2015. Nur gebe es grosse Unterschiede. Jene Gemeinden, die jetzt noch Platz haben, hätten sich damals gut aufgestellt und die Strukturen beibehalten, sagt Schamman. «Andere haben sie wieder abgebaut. Und die merken das jetzt an allen Ecken und Enden.»
Deutschland muss sich an die neue Realität anpassen
Es führe kein Weg an langfristigen Strukturen vorbei, betont der Migrationspolitologe, denn die Zuwanderung gehe immer weiter. «Die Klimamigration hat gar noch nicht angefangen, und die Erdbebenflüchtlinge aus der Türkei werden erst noch kommen.» Man müsse auf solche Situationen vorbereitet sein.
Nötig seien flexible Konzepte und bessere Ideen der Verteilung. Denn: «Die ungleiche Situation in den Kommunen hängt auch damit zusammen, dass Menschen und Orte bislang nicht zusammenpassen.» Dafür gebe es zwar Ideen, aber das seien keine Lösungen auf die Schnelle.
Doch für die Gemeinden sollte es jetzt schnell gehen.