Viele Migranten, die in Buchs (SG) in die Schweiz einreisen, wollen weiter in andere Staaten. Die Polizei kontrolliert sie zwar, hält sie aber nicht fest. Mit der SBB reisen die Migranten weiter, etwa nach Deutschland. Ein Sprecher des deutschen Bundesamts für Migration kritisierte diese Praxis in der «NZZ am Sonntag»: Die Schweiz handle nicht im Sinne des Dublin-Abkommens, das die Asylverfahren in Europa regle.
Wenn die Menschen kein Asylgesuch stellen und weiterreisen, dann gibt es auch kein Dublin-Verfahren.
Die für das Asylwesen zuständige Bundesrätin, Karin Keller-Sutter, widerspricht. Sie sagt, dass die Schweiz völlig Dublin-konform handle. «Wenn die Menschen kein Asylgesuch stellen und weiterreisen, dann gibt es auch kein Dublin-Verfahren», erklärt die Justizministerin. An der Weiterreise könnten die Migrantinnen und Migranten nicht gehindert werden, weil man sie nicht festhalten könne.
Mit der deutschen Bundesinnenministerin sei sie im Kontakt, sagt Keller-Sutter und meint zur angeblichen Kritik aus Deutschland: «Sie war etwas erstaunt über diese Schlagzeile.» Man pflege eine gute Zusammenarbeit und bekämpfe gemeinsam auch die irreguläre Migration.
Verfahren sollen beschleunigt werden
Letzte Woche meldete das Staatssekretariat für Migration (SEM), dass die Bundesasylzentren an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen seien. Seit August ist die Zahl der Asylsuchenden steil angestiegen, zudem zählt die Schweiz fast 70'000 Schutzsuchende aus der Ukraine.
Deshalb leitet der Bund die Menschen von den überfüllten Bundesasylzentren früher als geplant an die Kantone weiter. Bundesrätin Keller-Sutter möchte aber vermeiden, dass die Kantone zu sehr belastet werden. «Dort, wo es vertretbar ist, werden die Verfahren nochmals beschleunigt.»
Ein beschleunigtes Verfahren heisst nicht ein schlechtes Verfahren.
Die Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Miriam Behrens, begrüsst, dass der Bund Sofortmassnahmen ergriffen hat, um die Bundesasylzentren zu entlasten. Aber sie warnt vor der weiteren Beschleunigung der Asylverfahren und befürchtet, der Zugang zu Asylanwältinnen und -Anwälten sei in den Kantonen komplizierter. «Wir machen uns Sorgen, dass mit den zusätzlichen Beschleunigungsschritten das Asylverfahren und die Asylentscheide leiden und falsche Entscheide getroffen werden», sagt sie.
Keller-Sutter beschwichtigt: «Der Schutz gemäss dem Asylrecht gilt selbstverständlich weiter. Ein beschleunigtes Verfahren heisst nicht ein schlechtes Verfahren.»