In Deutschland soll bis ins Jahr 2020 die Impfpflicht eingeführt werden. Das hat der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt. Auch in der Schweiz fordern einige Politikerinnen und Politiker die Einführung der Impfpflicht für ausgewählte Krankheiten wie zum Beispiel die Masern.
Einige Länder wie Italien kennen dies bereits. Die Impfpflicht stellt die Regierung aber vor grosse Herausforderungen, meint Italienkorrespondent Franco Battel.
SRF News: Was sind die bisherigen Erfahrungen in Italien mit dem Gesetz?
Franco Battel: Die bisherigen Erfahrungen sind gut, es wird in Italien wieder mehr geimpft. Durch ein Gesetz, das vor zwei Jahren verabschiedet wurde, sind nun zehn Impfungen obligatorisch. Zur Erinnerung: Vor dieser Impfpflicht waren hier in Italien Krankheiten wie Masern oder Röteln wieder stark auf dem Vormarsch.
Wird das Gesetz durchgesetzt?
Ja, auch weil ein Obligatorium eingeführt wurde. Die Eltern wurden verpflichtet, ihre Kinder impfen zu lassen, bevor sie die Schule oder einen Hort besuchen.
Leute der Cinque Stelle erklärten im Wahlkampf, dass Impfen schwere Krankheiten auslösen könnte, zum Beispiel Autismus.
Zuerst reichte es, wenn die Eltern eine Selbstdeklaration mitbrachten. Seit März müssen sie auch ein Impfzeugnis präsentieren.
Was passiert, wenn das Gesetz nicht umgesetzt wird?
In letzter Konsequenz droht den Kindern ein Unterrichtsverbot. Es fehlen aber noch Erfahrungen mit dieser Praxis, weil die Pflicht erst seit kurzem besteht.
In einem ersten Schritt werden die Kinder nicht von der Schule verwiesen, sondern es wird das Gespräch mit den Eltern gesucht. Ziel ist es ja, dass diese Kinder geimpft werden.
Das Gesetz wurde von der Vorgängerregierung eingeführt. Wie steht die aktuelle Regierung zum Thema?
Die beiden Regierungsparteien, Lega und Cinque Stelle, hatten sich im Wahlkampf sehr kritisch geäussert. Leute der Cinque Stelle, auch Gründer Beppe Grillo, erklärten im Wahlkampf, dass Impfen schwere Krankheiten auslösen könnte, zum Beispiel Autismus. Nun klingt alles weniger dramatisch.
Es gibt Italiener, die nicht unbedingt fanatische Impfgegner sind, sondern wenig oder kein Vertrauen in das staatliche Gesundheitssystem haben.
Das Gesetz der sozialdemokratischen Vorgängerregierung wurde belassen. Die neue Regierung verspricht aber, diese Impfpflicht anzupassen.
Es gibt also auch Gegner der Impfpflicht in der Bevölkerung?
Ja, es gibt diese militanten Impfgegner, die ohne wissenschaftliche Belege erklären, dass Impfen gefährlich sei und Krankheiten wie eben Autismus auslösen könne. Solche Statements hat man von der Cinque Stelle auch im Parlament gehört.
Auf der anderen Seite gibt es Leute, die nicht unbedingt fanatische Impfgegner sind, sondern wenig oder kein Vertrauen in das staatliche Gesundheitssystem haben. In Italien gibt es Regionen, wo das staatliche Gesundheitssystem tatsächlich nicht gut ausgebaut ist. Dort haben die Leute Befürchtungen, dass das Impfen nicht sauber und vernünftig abgehandelt werden könnte.
Das Gesetz zeigt also erste Erfolge, es ist aber unklar, wie es sich weiterentwickeln wird?
Die aktuelle Regierung möchte die Impfpflicht beibehalten. Man möchte aber auch jenen Eltern, die aus irgendwelchen Gründen Skepsis haben, eine Hintertür offen lassen; dass sie trotzdem nicht impfen müssen. All dies bei einer Beibehaltung einer möglichst hohen Rate, sozusagen die Quadratur des Kreises. Man wird sehen, was die Regierung konkret vorschlägt.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.