- Der Streit um Impfstofflieferungen zwischen der EU und dem britisch-schwedischen Unternehmen Astra-Zeneca hat sich am Freitag zu einer diplomatischen Krise zwischen London und Brüssel entwickelt.
- Erst am späten Abend lenkte die EU-Kommission ein und versprach, bei ihren Exportkontrollen von Impfstoffen das Nordirland-Protokoll «unberührt» zu lassen, wie es in einer Mitteilung der Kommission hiess.
- Nordirlands Regierungschefin Arlene Foster hatte der EU zuvor gar einen «Akt der Feindschaft» vorgeworfen.
Auch der britische Premierminister Boris Johnson hatte die EU-Kommission zu einer umgehenden Erklärung über ihre Absichten hinsichtlich möglicher Kontrollen an der irisch-nordirischen Grenze aufgerufen und «schwere Besorgnis» geäussert.
Helle Empörung
Die EU hatte am Freitag angekündigt, den Export von Impfstoffen künftig genehmigungspflichtig zu machen, nachdem Astra-Zeneca mitgeteilt hatte, nur einen Bruchteil der zugesagten Lieferung leisten zu können. Dabei steht die Vermutung im Raum, dass in der EU produzierte Vakzine an Drittstaaten wie Grossbritannien geliefert wurden.
In einer ersten Erklärung der EU war zunächst der Eindruck erweckt worden, Brüssel wolle einen Notfallmechanismus in Gang setzten, der Kontrollen an der inneririschen Grenze erlaubt. Der offenbar weder mit Dublin noch mit London abgestimmte Schritt rief helle Empörung in Grossbritannien und vor allem in Nordirland hervor.
«Zufriedenstellender Weg»
Die EU-Erklärung, die später von der Webseite entfernt wurde, bezog sich auf Artikel 16 des Nordirland-Protokolls, der einseitige Schutzmassnahmen bei unerwarteten negativen Auswirkungen der Einigung erlaubt. Im konkreten Fall wollte sich die EU wohl davor schützen, dass über Nordirland als Hintertür doch unreguliert Impfstoffdosen nach Grossbritannien gelangen.
Am späten Abend stellte Brüssel klar: «Die Kommission aktiviert nicht die Schutzmassnahmen-Klausel.» Sollten Impfstoffe jedoch ohne Autorisierung in Drittländer exportiert werden, werde die EU alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, hiess es.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die zuvor auch mit Johnson telefoniert hatte, twitterte, sie habe sich mit dem irischen Premier Micheal Martin auf einen «zufriedenstellenden Weg» für die Überwachung der Impfstoffexporte geeinigt. Weitere Details sollten am Samstag bekannt gegeben werden.
Harte Grenze befürchtet
Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben nur eine einzige Landgrenze, sie verläuft zwischen dem EU-Mitgliedsland Irland und der britischen Provinz Nordirland. Im Zuge der Brexit-Verhandlungen war jedoch vereinbart worden, dass an dieser Grenze keinesfalls Kontrollen stattfinden sollen, um den zerbrechlichen Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion Nordirland nicht zu gefährden.
Nordirlands Regierungschefin Arlene Foster warf der EU einen «Akt der Feindschaft» im Zusammenhang mit dem Corona-Impfstoffstreit vor. Die EU schaffe eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland, wie sie das Nordirland-Protokoll eigentlich verhindern solle, sagte Foster.