Schweden stellt sich auf eine Rekordzahl von Flüchtlingen in diesem Jahr ein. Bis zu 190'000 Menschen dürften in dem skandinavischen Land ankommen und Asyl beantragen, darunter 33'000 unbegleitete Kinder und Jugendliche. Diese Schätzungen veröffentlichte die schwedische Einwanderungsbehörde.
Acht Milliarden Franken Zusatzkosten
«Wir haben Bilder von Menschen gesehen, die buchstäblich zu Fuss von Griechenland über den Balkan nach Deutschland und weiter nach Schweden gehen», sagte Behördenchef Anders Danielsson. «Die gegenwärtige Flüchtlingssituation ist aus europäischer und schwedischer Perspektive beispiellos.»
Für 2016 werde mit einem leichten Rückgang des Flüchtlingsstroms gerechnet. Für die kommenden beiden Jahre benötigt die Behörde nach eigener Schätzung umgerechnet bis zu acht Milliarden Franken, um die Menschen zu versorgen.
In Zelten überwintern
Seit Jahresbeginn kamen mehr als 100'000 Menschen in Schweden an, mehr als zur Zeit der Bürgerkriege auf dem Balkan Anfang der 1990er-Jahre. Noch im Juli war die Behörde für das laufende Jahr von 74'000 Neuankömmlingen ausgegangen.
Die riesige Zahl an ankommenden Menschen führt zu Problemen bei der Unterbringung der Flüchtlinge: Die Behörde rechnet nun damit, dass es nicht gelingen wird, alle Flüchtlinge im Winter in Häusern unterzubringen. Zehntausende Menschen müssen wohl in beheizten Zelten überwintern.
Die Stimmung droht zu kippen
Umfragen zufolge heisst eine Mehrheit der Schweden die Menschen zwar immer noch willkommen, doch die Spannungen steigen. Die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten kommen laut Umfragen inzwischen auf etwa 20 Prozent Zustimmung, noch vor einem Jahre waren es 13 Prozent. Auch kommt es inzwischen vermehrt zu Brandanschlägen auf Asylbewerberheime, wie SRF-Nordeuropamitarbeiter Bruno Kaufmann berichtet.
«Die Politiker reagieren recht hilflos auf die Anschläge», sagt Kaufmann. Nun hätten die Schwedendemokraten die unzufriedenen Bürger auch noch dazu aufgerufen, gegen die Flüchtlinge auf die Barrikaden zu gehen. Zwar stehe die überwiegende Mehrheit der Schweden den Ankömmlingen wohlwollend gegenüber. Doch es sei wichtig, dass sich die grossen Parteien rasch auf Massnahmen einigten um zu zeigen, dass sie die Ängste der Menschen ernst nehmen. «Schweden steht vor einer ganz grossen Herausforderung», so Kaufmann weiter.
«Das wird das Land verändern»
Auch sei die Infrastruktur vor allem in den ländlichen Gebieten nicht auf den enormen Zustrom an Menschen vorbereitet. Es bestehe «ein riesiger Handlungsbedarf», etwa was Schulen, den öffentlichen Verkehr oder die Gesundheitsversorgung angehe. Schweden werde sich auf Monate und Jahre hinaus mit diesen Problemen beschäftigen müssen. Kaufmann ist sicher: «Das wird letztlich das Land verändern.»