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Info-Kampf um Katalonien «Kremlnahe Kreise wollen im Westen für Verunsicherung sorgen»

Hat Russland gezielt Einfluss genommen auf den Streit um die katalanische Unabhängigkeit? Ein Experte im Interview.

Borja Lasheras

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Der Politologe Borja Lasheras ist der spanische Leiter des Think-Tanks «European Council on Foreign Relations». Die Denkfabrik befasst sich vor allem mit Themen der europäischen Aussen- und Sicherheitspolitik.

SRF News: Was für Hinweise gibt es für eine Einflussnahme Russlands in Spanien?

Politologe Borja Lasheras: Wir konnten beobachten, dass kremlnahe Medien wie «Russia Today» und insbesondere «Sputnik» an Desinformationskampagnen beteiligt waren. Diese Kampagnen vermischen wahre mit falschen Tatsachen und verbreiten Halbwahrheiten. «Sputnik» behauptete beispielsweise, der Einfluss des Franquismus sei in Spanien nach wie vor sehr gross – jetzt in der Katalonien-Krise.

Und diverse russische Onlinemedien konstruierten eine Verbindung von Spanien zur ukrainischen Regierung. Beide hätte sozusagen als faschistische Junta Separatisten zum Schweigen gebracht.

Trotzdem möchte ich festhalten: Es gibt keine gesicherten Informationen, dass das eine von oberster russischer Stelle orchestrierte Aktion ist. Es ist vielmehr so, dass kremlnahe Kreise, die übrigens in Konkurrenz zueinanderstehen, diese Situation ausnützen, um im Westen für Verwirrung und Verunsicherung zu sorgen.

Es gibt keine gesicherten Informationen, dass das eine von oberster russischer Stelle orchestrierte Aktion ist.
Autor: Borja Lasheras Leiter Think-Tank ECFR

Unterstützung bekamen die katalanischen Separatisten ja auch von bekannten Persönlichkeiten wie Julien Assange. Er war auf Twitter in dieser Angelegenheit sehr aktiv. Seine Tweets wurden jeweils von extrem vielen Konten weiterverbreitet. Lässt dies darauf schliessen, dass alles gut organisiert und orchestriert war?

Internetanalysten sind zum Schluss gekommen, dass da sogenannte Bots aktiv waren. Also programmierte Twitter-Konten ohne richtige Menschen dahinter, die diese Nachrichten zu tausenden weiterverbreiteten. Und man stellte auch fest, dass diese Bots regelmässig auch pro-russische Sichtweisen in den Sozialen Medien verbreiten.

Es sind also die gleichen Kreise, die ein Interesse daran haben, das Narrativ des unterdrückten Kataloniens zu verbreiten. Es ist aber wichtig, diese Aktivitäten von der offiziellen Haltung der russischen Regierung zu unterscheiden. Präsident Putin hat die spanische Regierung nämlich offiziell unterstützt. Auch wenn er dann in einer Rede Katalonien mit Kosovo verglich.

Screenshot Twitter.
Legende: Julian Assanges Nachrichten wurden äusserst fleissig von Bots weiterverbreitet. Screenshot Twitter

Sie haben erwähnt, dass Internetplattformen und russische Medien gezielt Halbwahrheiten verbreiteten im Zusammenhang mit dem Referendum in Katalonien. Zum Beispiel?

Nehmen wir das Beispiel von «Russia Today»: Dieses Medienportal verbreitete prominent die Aussage eines ehemaligen britischen Diplomaten, den vorher fast niemand kannte und der polemisch argumentierte. Er fragte, warum bombardiert die Nato nicht Madrid, so wie sie damals bei der Frage um Kosovo Serbien bombardierte. Wo doch Katalonien noch mehr im Recht sei als Kosovo. Dieser Experte wurde mannigfaltig zitiert in der Berichterstattung von «Russia Today».

Screenshot Online-Artikel
Legende: Auch die deutsche Version von «Russia Today» hat den ehemaligen britischen Diplomaten zitiert. Screenshot Russia Today

Und es gab noch mehr solche Persönlichkeiten, die auf diese Weise in den Vordergrund gestellt wurden. Was mit dieser Berichterstattung erreicht werden soll: Eine polemische Debatte. Man will polarisieren und die sachliche, faktenorientierte Diskussion verunmöglichen. Wenn wir wirklich lesen müssen, dass in Spanien noch immer die Franco-Diktatur herrscht und der spanische Ministerpräsident Rajoy sozusagen der personifizierte Diktator ist, dann wird es schwierig, sachlich eine Lösung zu finden. Und das ist beabsichtigt.

Ich sage nicht, dass Putin Spanien zerstören will, aber es kommt ihm gelegen, wenn die westlichen Demokratien instabil werden.
Autor: Borja Lasheras Leiter Think-Thank ECFR

Aber welches Interesse sollte Russland denn überhaupt daran haben? Ist es nicht schon fast paranoid, überall russische Intrigen zu vermuten?

Gut, dass sie mich das fragen. Wir sind seit einigen Jahren in der Thematik drin und haben auch mitverfolgt, wie die Berichterstattung beim Volksaufstand auf dem Kiewer Majdan und dem darauffolgenden Krieg mit der Ukraine lief. Damals waren wir oft in der Minderheit, wenn wir auf eine gezielte Desinformation hinwiesen, die von Russland aus gesteuert war. Wir beziehen uns da auch auf russische Quellen.

Man muss dabei natürlich immer die offizielle russische Haltung von der inoffiziellen unterscheiden. Ja, Spanien ist offiziell ein befreundetes Land. Aber der Kreml denkt halt auch: Spanien ist ein Nato-Land und die Nato stationiert Truppen im Baltikum. Und da kalkuliert der Kreml eiskalt. Ich sage nicht, dass Putin Spanien zerstören will, aber es kommt ihm gelegen, wenn die westlichen Demokratien instabil werden.

Hat diese Strategie der Verwirrung in Katalonien gewirkt?

Es ist noch zu früh, um Bilanz zu ziehen. Was sich sicher schon sagen lässt: Wie im Fall des Ukraine-Konflikts hat Russland auch bei Katalonien Narrative verbreitet, die Fakten verdrehen oder überzeichnen. In beiden Fällen wurden die jeweiligen Regierungen beispielsweise als faschistisch bezeichnet. Wichtig für die Medien ist hier einmal mehr: Journalistische Standards einhalten und die finanziellen und politischen Beziehungen zwischen den Gruppierungen und politischen Parteien, die solche Informationen verbreiten, recherchieren. Auch in Spanien.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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