Die Übergabe: Die Hamas hat sechs weitere Geiseln an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben. Die Freilassung der Israelis erfolgte an drei verschiedenen Orten in dem abgeriegelten Küstenstreifen und war teilweise in Israel und der arabischen Welt live im Fernsehen zu sehen. Die sechs Geiseln kamen im Rahmen eines Abkommens mit Israel frei, in dem auch die Waffenruhe vereinbart wurde. Angehörige der sechs Männer reagierten bewegt und mit grossem Jubel auf die Freilassung.
Die Freigelassenen: Die Hamas hatte zunächst in Rafah die Langzeitgeisel Avera Mengistu und der im Oktober 2023 verschleppte Tal Schoham übergeben. Anschliessend wurden im Flüchtlingsviertel Nuseirat die ebenfalls vor 16 Monaten aus Israel entführten jungen Männer Omer Schem-Tov, Omer Wenkert und Elija Cohen an das IKRK übergeben. Hischam al-Sajid war vor fast zehn Jahren auf eigene Faust in den Gazastreifen gelangt und seither dort festgehalten worden. Die Übergabe der letzten und sechsten Geisel erfolgte ohne TV-Übertragung in der Stadt Gaza. Die Islamisten hätten darauf verzichtet, weil es sich bei der Langzeitgeisel um einen israelischen Araber handelte, berichtete der Sender Al Jazeera.
Die Gegenleistung: Im Gegenzug soll Israel nach palästinensischen Angaben im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung insgesamt rund 600 inhaftierte Palästinenser freilassen. Darunter sind 50 mit lebenslangen Haftstrafen.
Die Inszenierung: Vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer in Uniformen inszenierten die Übergaben erneut mit Schaulustigen, lauter Musik und palästinensischen Fahnen. Die Geiseln wurden auf Bühnen vorgeführt. Sie erhielten von ihren bewaffneten und vermummten Bewachern sichtbar Anweisungen, zu lächeln und der wartenden Menschenmenge zuzuwinken. Eine Vertreterin des IKRK musste auf den Bühnen an beiden Orten Empfangsdokumente unterzeichnen.
Die Hintergründe: Palästinensische Terroristen entführten Schem-Tov, Wenkert und Cohen vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geisel-Familien, indem sie sich unter Leichen versteckte. Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten. Schoham, der auch österreichischer Staatsbürger ist, wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 frei. Al-Sajid ist ein israelischer Araber, der die Grenze in den Gazastreifen 2015 auf eigene Faust überquert hatte. Gleiches gilt für den in Äthiopien geborenen Mengistu, der seit 2014 in der Gewalt der Hamas ist.
Die Befürchtungen: Die Hamas liess drei der sechs Geiseln früher frei als geplant. Das sollte gemäss dem Waffenruhe-Abkommen eigentlich erst in einer Woche passieren. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Hamas-Mitglieder aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien. Laut der US-Nachrichtenseite «Axios» gibt es sowohl aufseiten der Hamas als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte – und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben. Seit Beginn der Waffenruhe am 19. Januar haben Islamisten 25 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.