Nach neuen Kämpfen im Norden Syriens steht die Waffenruhe in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land auf der Kippe. Schwere Kämpfe zwischen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und Regimegegnern an der Grenze zur Türkei trieben mindestens 30'000 Menschen weiter in die Flucht.
In der Stadt Aleppo wehrten Rebellen in heftigen Gefechten Angriffe der syrischen Armee ab. Diese versuchte, Teile der von Regimegegnern gehaltenen Stadt von der Aussenwelt abzuschneiden.
Die zwischen Regierung und Rebellen geteilte frühere Handelsmetropole Aleppo ist seit langem hart umkämpft. Ein Regimegegner erklärte, die Regierung und ihre Verbündeten hätten am Donnerstag mit Hilfe russischer Luftangriffe nördlich von Aleppo einen Grossangriff begonnen. Laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte konnten die Rebellen die Angreifer jedoch wieder zurückdrängen.
Hauptversorgungsroute der Rebellen
Sollte die Armee dieses Gebiet einnehmen, könnte sie die letzte Hauptversorgungsroute der Rebellen in Aleppo Richtung Türkei kappen und eine Blockade über sie verhängen, erklärten die Menschenrechtler. Für die Regimegegner wäre das ein Rückschlag.
Auf der Seite der Rebellen kämpft neben moderateren Gruppen auch die Al-Nusra-Front, der syrische Ableger der Terrormiliz Al-Kaida. Diese ist wie der IS von der seit Ende Februar geltenden Waffenruhe ausgenommen, auf die sich die USA und Russland geeinigt hatten.
Kritik an türkischem Vorgehen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erklärte, wegen der Kämpfe an der Grenze zur Türkei sei aus zehn Flüchtlingslagern mindestens die Hälfte der Bewohner geflohen. Sie hätten in anderen Lagern an der Grenze und in der nahegelegenen Stadt Asas Zuflucht gesucht.
HRW warf türkischen Grenzschützern vor, auf Zivilisten zu schiessen, die im Nachbarland Zuflucht suchen wollten. «Während Zivilisten vor IS-Kämpfern fliehen, reagiert die Türkei mit scharfer Munition statt mit Mitgefühl», erklärte die Organisation.
Hilfsorganisationen fordern mehr Unterstützung
Unterdessen forderten 23 in Syrien engagierte Hilfsorganisationen angesichts der dramatischen Situation der Bevölkerung eine Verbesserung der humanitären Hilfe.
Auch die Schweiz müsse in diesem Prozess ihre Verantwortung wahrnehmen, schreibt Caritas Schweiz in einer Medienmitteilung. Die Hilfsorganisation ruft den Bundesrat dazu auf, sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, dass der Zugang zur notleidenden syrischen Bevölkerung verbessert wird. Nach wie vor seien 13,5 Millionen Menschen auf Nothilfe angewiesen. Das ist mehr als die Hälfte der syrischen Gesamtbevölkerung.