Von der dritten Welt in die erste: So titelte der im März im Alter von 91 Jahren verstorbene Staatsgründer Singapurs, Lee Kuan Yew, seine Memoiren. Heute Sonntag zelebrierte die ehemalige britische Kolonie den 50. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Sie hatte sich am 9. August 1965 aus der Föderation Malaysia gelöst und zum selbstständigen Staat erklärt.
Gefeiert hat Singapur mit Feuerwerken und einer Militärparade. Bewusst pompös präsentierte sich die einst verschlafene Hafenstadt, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer modernen Handelsmetropole und einem internationalen Finanzzentrum gemausert hat.
Autoritäres Regime gepaart mit arbeitsamer Bevölkerung
Die Entwicklung Singapurs sei eng verknüpft mit ihrem Landesvater, sagt NZZ-Korrespondent Manfred Rist. Lee Kuan Yew habe sofort erkannt, dass der Kleinstaat nur durch wirtschaftlichen Erfolg dauerhaft bestehen könne. Man habe sich darauf konzentriert, internationale Firmen anzulocken, um so Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand zu generieren.
Dass dies von Erfolg gekrönt war, ist jedoch nicht alleine dem Staatsgründer zu verdanken. «Es war eine geglückte Kombination von einem autoritären Regime, das wirtschaftlich offen war und einer sehr arbeitsamen Bevölkerung, die nicht aufgemuckt hat», sagt Rist.
Lee Kuan Yew sei zwar äusserst berechnend gewesen und habe insbesondere gegenüber der Opposition nie Gnade walten lassen. «Für diese sehr schwierige Zeit war er aber der richtige Mann am richtigen Ort», ist Rist überzeugt. Immerhin habe er es geschafft, aus einem sehr unterentwickelten Land einen überlebensfähigen Staat zu bilden.
Die politische Situation habe sich ebenfalls verbessert, es herrschten viel grössere Freiheiten. Dies könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Stadtstaat de facto von einem Ein-Parteien-System regiert werde: Das Sagen hat noch immer die von Lee Kuan Yew gegründete «People's Action Party» (PAP).
Leistungsdruck und Angst vor Überfremdung
Nichtsdestotrotz sei die Bevölkerung in Feierlaune. «Es ist nicht so, dass hier ein Gefühl der politischen Unterdrückung herrscht – vielmehr wollen die Leute günstige Wohnungen, weniger Ausländer, Sicherheit, die Möglichkeit zu reisen und saubere Strassen», sagt Rist. Einiges davon sei erfüllt.
Die Zukunft stelle das Land dennoch vor grosse Herausforderungen. «Singapurs Erfolgsstory hat darauf gefusst, dass man Unmengen an billigen Arbeitskräften hat importieren können.» Dadurch sei die Bevölkerung stark angewachsen, was zu gewissen Überfremdungsängsten geführt habe. Zudem sei der Leistungsdruck in Gesellschaft und Familie noch immer enorm. «Die Jugend ist nicht zu beneiden», findet Rist.