Mehr als 800 Bootsflüchtlinge aus Afrika sind in der Nacht auf Freitag vor der italienischen Küste im Mittelmeer aufgegriffen worden. Zwei Militärschiffe der italienischen Marine haben allein etwa 400 Menschen aufgenommen, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.
In Seenot geraten
Weitere 250 Flüchtlinge seien vor Lampedusa an Bord von zwei Schnellbooten der Küstenwache gegangen. Sie waren etwa 25 Meilen vor der Insel in Seenot geraten. Ein weiteres Patrouillenboot der Küstenwache habe 95 Menschen aus Eritrea gut 100 Meilen südöstlich vor Lampedusa aufgegriffen.
Weitere 80 Flüchtlinge sind von einem Handelsschiff gerettet worden. Ihr Boot war 110 Meilen südlich von Lampedusa in Schwierigkeiten geraten. Die Einsatzkräfte brachten einige der geretteten Flüchtlinge vorerst auf die Insel. Die restlichen sollten an anderen Orte untergebracht werden, wie Ansa berichtete.
Mehr Schiffe und Flugzeuge im Einsatz
Anfang Oktober waren die Leichen von rund 360 Flüchtlingen aus dem Mittelmeer geborgen worden. Ihr Boot hatte in der Nähe von Lampedusa Feuer gefangen und war dann gekentert. 155 Menschen überlebten den Schiffbruch. Nach ihren Angaben sollen insgesamt 545 Flüchtlinge an Bord gewesen sein.
Als Reaktion auf das Unglück überwacht Italien seit Mitte Oktober das Mittelmeer stärker. In dem Seegebiet zwischen Malta, Sizilien und der libyschen Küste werden dem italienischen Verteidigungsminister Mario Mauro zufolge mehr Schiffe und Flugzeuge eingesetzt, dazu kommen Drohnen und Helikopter mit Infrarotsichtgeräten.
Erst vor anderthalb Wochen hatten Einsatzkräfte mehr als 400 Menschen im Mittelmeer gerettet und nach Lampedusa oder Sizilien gebracht. Die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer sind heute auch ein Thema am EU-Gipfel in Brüssel.
Europaparlament «tief enttäuscht»
Inzwischen hat der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, die Staats- und Regierungschefs zum Handeln aufgefordert. «Lampedusa muss ein Wendepunkt für die europäische Flüchtlingspolitik sein», sagte er am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. «Europa ist ein Einwanderungskontinent. Deswegen brauchen wir ein legales Einwanderungssystem», sagte Schulz. Das Europaparlament sei «tief enttäuscht» darüber, dass die Regierungen nicht zu mehr Flexibilität bei der Aufnahme von Flüchtlingen bereit seien.
Er bekräftigte die Forderung, das derzeitige Aufnahmesystem, das vor allem die Länder an den Aussengrenzen der EU zur Aufnahme von Migranten verpflichtet, bei Überlastung einzelner Staaten zeitweilig aufzuheben. «Lampedusa wurde zum Gleichnis für eine europäische Flüchtlingspolitik, die aus dem Mittelmeer einen Friedhof macht», sagte Schulz.