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AfD-Fähnchen auf Tisch.
Legende: Quo vadis, AfD? Aus Sicht des Parteienforschers Neugebauer hätte es rechts von der Mitte grosses Wählerpotenzial. Reuters

International AfD: Der deutsche Spaltpilz spaltet sich

Die Alternative für Deutschland (AfD) zeigt Zerfallserscheinungen. Die Frage stellt sich: Wer ist die AfD – und wenn ja, wie viele? Parteienforscher Gero Neugebauer erklärt, warum sich die Partei selbst im Weg steht.

Die AfD ist in Deutschland mit dem Anspruch angetreten, vieles anders zu machen als die von ihr geschmähten «Altparteien». Diesem Anspruch wird sie in diesen Tagen auf jeden Fall gerecht: So viel internen Zoff findet man derzeit in keiner anderen deutschen Partei. Das neueste Kapitel: Einen Tag nach seinem Austritt aus der Landtagsfraktion der AfD in Stuttgart hat der bisherige Fraktionschef Meuthen eine neue Fraktion mit dem Namen Alternative für Baden-Württemberg gegründet.

Eklat um Gedeon

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Legende: Wolfgang Gedeon/Keystone

Dem AfD-Politiker Wolfgang Gedeon wird Antisemitismus vorgeworfen. AfD-Chef Jörg Meuthen wollte ihn deshalb aus der Fraktion werfen, unterlag aber bei der Abstimmung. Deshalb entschloss sich Meuthen zu gehen, 12 weitere Parlamentarier folgten ihm.

Diese sei bei der Landtagsverwaltung angemeldet worden, die ihm eine schnelle juristische Prüfung zugesagt habe, sagte Meuthen in Stuttgart. Die Fraktion habe bereits eine Satzung und einen Vorstand. Vorsitzender sei er selbst. «Wir sind die AfD», betonte Meuthen.

Zuvor hatte Frauke Petry, die die Bundespartei zusammen mit Meuthen führt, die verbliebene AfD-Fraktion im Landtag des süddeutschen Bundeslandes Baden-Württemberg als wahre Fraktion bezeichnet.

«Viel Feind, viel Ehr»

Angesichts der anhaltenden Richtungskämpfe stellt sich zusehends eine Frage: Wer ist die AfD, und wenn ja, wie viele? Gero Neugebauer, Parteienforscher an der Universität Berlin, klärt auf: «Mit Meuthen steht die nationalkonservative und wirtschaftsliberale der rechtspopulistischen, stärker fremdenfeindlichen Position von Petry gegenüber.» Die erste Position sei stärker in Westdeutschland verankert, letztere eher im Osten.

Viele Leute haben das Gefühl, es finde eine schleichende politische und kulturelle Überfremdung statt.

Ideologische Grabenkämpfe haben in der AfD Tradition. Und auch Petry agiere allem nach einem (historisch belasteten) Motto: «Viel Feind, viel Ehr.» Mitbegründer Bernd Lucke, der die Partei als führende EU-Skeptiker in Deutschland etablierte, strich 2015 entnervt die Segel. Die Folge war eine zunehmend rechtspopulistisch, in Teilen völkisch-nationalistische Ausrichtung der Partei.

Die es aber, so Neugebauer, zu stoppen gilt, will die AfD auf Bundesebene eine Stimme haben: «Entscheidend für ihre Entwicklung wird die Abgrenzung zu rechtsextremistischen Positionen sein. Diese entsprechen mit Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit nicht dem gesellschaftlichen Basiskonsens in Deutschland.»

Die AfD – ein schlafender Riese?

Diesen «Basiskonsens» störte etwa der Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, an dem sich die jüngsten internen Querelen entzündeten. Er bezeichnete das Talmud-Judentum und den Islam als «äussere Feinde des christlichen Abendlandes». Förderlich seien solche Aussagen nicht, befindet Neugebauer: «Es gibt in Deutschland aber eine konservativ denkende Minderheit, die lange von der CDU vertreten wurde und sich von dieser verlassen sieht.» Etwa in der Familien- oder Bildungspolitik würden sich diese Menschen durchaus von der AfD vertreten sehen.

Das Merkelsche Vakuum trete jedoch auch andernorts zutage: «Es gibt zudem viele Menschen, die das Gefühl haben, es finde eine schleichende politische und kulturelle Überfremdung statt.» Diese Leute hofften, so Neugebauer, dass die AfD in der Asylpolitik und gegenüber der EU eine restriktive Haltung einnimmt. Eine Partei von klarem nationalkonservativem Zuschnitt also.

«Geht die Partei in dieser Richtung, könnte sie längerfristig sogar auf ein Koalitionsangebot der Unionsparteien hoffen», so der Parteienforscher. Dafür müsse aber erst das Chaos in der Partei geordnet werden: «Und die Palastrevolution steht noch aus», schliesst Neugebauer.

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