Beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stapeln sich die Pendenzen. Kein Wunder – alleine von Januar bis August haben über eine Viertel Million Menschen ein Asylgesuch eingereicht. Das ist bereits mehr als in ganzen letzten Jahr. All diese Gesuche können trotz Aufstockung des Personals nicht mehr bewältigt werden. Genau deswegen steht die Behörde in der Kritik. Und jetzt hat der Chef den Hut genommen.
«Die Effekte waren da, wir haben sie nicht gesehen. jetzt können wir sagen, ich habe versagt. Dann ist das halt so. Aber kein anderer hat sie auch gesehen.» So verteidigte sich Manfred Schmidt, der Leiter des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge noch vor wenigen Tagen in einem Radiointerview. Dennoch musste er gehen, auch weil sein Vorgesetzter Innenminister de Maiziere, der ebenfalls unter Druck ist. Die Opposition spricht von einem Bauernopfer.
275‘000 pendente Verfahren
Aber es gibt auch Fakten, die den Rücktritt begründen. Zum Beispiel ein riesiger Rückstau an hängigen Verfahren. 275‘000 Verfahren sind pendent. Das Bundesland Thüringen beklagt, dass es nur 12 sogenannte Entscheider vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung habe. Diese behandelten pro Monat rund 300 Asylanträge, aber gleichzeitig kämen jeden Monat etwa 2000 neue dazu. Rheinland-Pfalz empörte sich, dass ein Asylbewerber in einem Einzelfall erst einen Anhörungstermin für den nächsten Mai habe. Schmidt verteidigte sich im Interview:
«Wir reissen keine Kinokarten ab. Ein Flüchtling kommt in die Bundesrepublik Deutschland. Wird registriert von der Landesverwaltung. Danach kommt er in die Landeserstaufnahmeeinrichtung und zu meiner Dienststelle, wo der Antrag entgegengenommen wird. Wir nehmen die Daten auf, machen eine Identitätsprüfung, dann eine Sicherheitsüberprüfung. Der Asylantrag wird gestellt. Danach kommt es zur Anhörung. Diese muss terminiert werden. Sie brauchen den entsprechenden Dolmetscher. Die Verfügbarkeiten müssen da sein. Dann erst kommt es zur eigentlichen Anhörung. Die Fluchtursachen werden vorgetragen, um zu entscheiden, und das zieht sich.»
Das zieht sich genau 5,3 Monate hin. So lange dauert im Schnitt in Deutschland ein Asylverfahren. Es sind vor allem die Bundesländer, welche die Verfahren massiv beschleunigen wollen. Als Vorbild gilt die Schweiz.
Neues Gesetz für beschleunigte Abschiebung
Heute Nachmittag berichtete die ARD, das Innenministerium bereite ein Gesetz vor, das die Leistungen für Flüchtlinge, für die Deutschland nicht zuständig sei, massiv kürzen solle. Das würde die meisten Neuankömmlinge in Deutschland betreffen, weil sie in der Regel über ein anderes sicheres Schengen-Land eingereist sind. Diese Flüchtlinge sollten bloss eine Reisebeihilfe erhalten, mit der sie zum Beispiel zurückreisen könnten. Abschiebungen sollten beschleunigt werden.
Noch ist der Gesetzesentwurf im Detail nicht bekannt. Es gilt es zu bedenken, dass die Flüchtlinge in jenen Schengen-Staat zurückgeschickt werden müssten, in den sie zuerst eingereist sind. Das lässt sich fast nie zweifelsfrei eruieren.