Deutschland hat an der Grenze zu Österreich wieder Kontrollen eingeführt. Dies vor dem Hintergrund der vielen Flüchtlinge, die in den letzten Tagen in Deutschland angekommen waren. Ziel sei es, «den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen» und zu einem geordneten Verfahren zu kommen, sagte Innenminister Thomas de Maizière.
Das sei auch aus Sicherheitsgründen nötig, sagte de Maizière in Berlin. «Nach dem geltenden europäischen Recht ist Deutschland für den allergrössten Teil der Schutzsuchenden gar nicht zuständig.»
Grenzkontrollen als Druckmittel
Der Entscheid Berlins mag überraschen – doch laut SRF-Korrespondent Adrian Arnold ist der Schritt «eine bewusste Massnahme, die zu einem sehr bewussten Zeitpunkt gewählt wurde»: Am Montag tagen die EU-Innenminister, um über eine Verteilung der Flüchtlinge zu diskutieren. Eine Verteilung, welche gerade die osteuropäischen Länder ablehnen.
«Deutschland macht diesen Ländern klar: Wir können, wir werden nicht alle Flüchtlinge aufnehmen», sagt Arnold. Gerade im Osten werde sich die Lage deshalb zuspitzen. «Damit erhöht Berlin den Druck auf die osteuropäischen Staaten in der EU, einer solidarischen Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb von Europa zuzustimmen.»
Ansturm unterschätzt
Gleichwohl habe Deutschland wohl das Ausmass der ankommenden Flüchtlinge überschätzt, als es ankündigte, Syrer nicht mehr in dasjenige Land zurück zu schicken, in dem diese zuerst ankamen. «Diesen Vorwurf muss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gefallen lassen», sagt Arnold.
Doch bei aller Kritik an der deutschen Regierung habe Deutschland «Europa und der Welt ein Beispiel gegeben, wie man Menschen auf der Flucht menschenwürdig aufnimmt; ein Beispiel, wie es sein könnte, wenn sich Europa auf eine gerechte Verteilung einigen könnte».
Dublin gilt immer noch
Ob Deutschland mit der Strategie Erfolg hat, dürfte sich am Montag zeigen. In seiner Rede betonte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière derweil, dass trotz der Grenzkontrollen die Regeln des Dublin-Abkommen unverändert gültig seien. In seiner Rede forderte er alle EU-Mitgliedsstaaten auf, sich wieder daran zu halten; also die in die EU einreisenden Flüchtlinge nicht nur zu registrieren, sondern auch das Asylverfahren durchzuführen.
Die Hilfsbereitschaft dürfe nicht überstrapaziert werden, sagte der Innenminister. Der Schritt sei auch ein Signal an Europa. Deutschland stelle sich seiner humanitären Verantwortung, betonte der Minister. Die Lasten müssten aber solidarisch verteilt werden. Die Einführung der Grenzkontrollen werde nicht alle Probleme lösen.
Keine Züge mehr bis Montagmorgen früh
Die Grenzkontrollen betreffen auch Bahnreisende. So hat die Deutsche Bahn auf Weisung der Behörden den Zugverkehr von und nach Österreich unterbrochen; der Unterbruch gilt bis Montagmorgen um 7 Uhr. «Es kann zu Einschränkungen im Reiseverkehr kommen, auch mit der Bahn. Dafür bitte ich schon jetzt um Verständnis», sagte de Maizière.
Der Unterbruch des Zugverkehrs zwischen Deutschland und Österreich betrifft auch die Verbindung Zürich – München. Die Strecke ist am Sonntagabend ebenfalls unterbrochen. Ob das auch am Montag noch der Fall sein wird, ist noch nicht klar. Die österreichische Bahn (ÖBB) setzt ihrerseits aufgrund der massiven Überlastung von und nach Ungarn den Zugverkehr weiterhin aus.
Kontrollen auch in Tschechien
Nach Deutschland kündigte auch Tschechien vorübergehende Kontrollen an der Grenze zu Österreich an. Das weitere Vorgehen sei davon abhängig, wie viele Flüchtlinge auf die Route über Tschechien auszuweichen versuchten, sagte Innenminister Milan Chovanec.
Der anhaltend starke Andrang von Flüchtlingen hatte Deutschland am Wochenende vor immer grössere Herausforderungen gestellt. In München trafen alleine am Samstag mehr als 12'000 Menschen ein. Die Stadt sieht die Belastungsgrenze erreicht. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) appellierte an Merkel und andere Länder, München nicht im Stich zu lassen.