Nach zähem Ringen mit privaten westlichen Gläubigern kann der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk den wohl bisher grössten Erfolg seiner Amtszeit verkünden. Westliche Gläubiger erlassen dem vom Bankrott bedrohten Staat rund drei Milliarden Euro – nach fünfmonatigen Verhandlungen.
Die vom russischen «Aggressor» und «Feind» herbeigeredete Pleite sei also abgewendet, tönte Jazenjuk. Und selbstbewusst schob er nach, dass sich auch Russland abfinden müsse mit dem Schuldenschnitt von 20 Prozent, wenn es überhaupt noch Geld sehen wolle.
Hilfe wider Willen aus Russland
Die selbst von einer schweren Wirtschaftskrise durch den Ukraine-Konflikt mit all seinen Folgen gebeutelten Russen stellten zwar sofort klar, dass sie ihre Milliardenkredite in voller Höhe im Dezember zurückverlangen. Doch komplett ausgeschlossen hat in der russischen Führung Hilfe für den Nachbarn keiner.
Die Ukraine erhielt von den privaten Gläubigern aus dem Westen auch eine vierjährige Atempause für die Rückzahlungen von Krediten – im Austausch für höhere Zinsen. Die Kiewer Regierung will gemäss Experten den Spielraum jetzt für soziale Wohltaten vor den regionalen Wahlen im Oktober nutzen, um eine Revanche der Vorgängerführung zu verhindern.
Streit um Gaspreise ungelöst
Doch schon im Dezember verlangt Russland drei Milliarden US-Dollar zurück. Ausserdem naht der Winter – und der Streit um Preise für russische Gaslieferungen, von denen die Ukraine noch immer abhängt, ist ebenfalls ungelöst.
Vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte bei den Verhandlungen um einen Schuldenschnitt zuletzt Druck gemacht. Die Ukraine musste sich auch deshalb einigen mit den Geldgebern, um vom IWF in Zukunft weiter frisches Geld zu bekommen.
Bis zuletzt hatte sich das Kreditgeberkonsortium um den Fonds Franklin Templeton, der mit 6,5 Milliarden US-Dollar in der Ukraine engagiert ist, geweigert, Kiew die angestrebte Abschreibung von 40 Prozent zu gewähren. Doch nun sind die US-Fonds Franklin Templeton, PIMCO, Blackrock, Fidelity und Stone Harbor dem pleitebedrohten Staat gemeinsam entgegengekommen – mit der Hälfte der verlangten Summe.
Auch der Westen weiss, dass ein noch grösserer finanzieller Druck das krisengeschüttelte Land noch weiter an den Abgrund getrieben hätte. Die wirtschaftliche Lage in der Ex-Sowjetrepublik ist insgesamt prekär.
Seit Mai vorigen Jahres sind Renten und Mindestlöhne eingefroren. Nach dem rapiden Währungsverfall Anfang des Jahres liegt die Mindestrente bei umgerechnet 42 Franken. Nach massiven Tariferhöhungen für Heizung, Gas und Strom ist die Inflationsrate auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Im September sollen die Strompreise noch weiter steigen. Die Regierungsparteien, die vor dem Urnengang in einigen Wochen unter miesen Umfragewerten leiden, hoffen nun auf etwas Aufwind.
Sendebezug: Tagesschau 12.45 Uhr