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International «Paradoxerweise ist die Ukraine so geeint wie noch nie»

Der Konflikt in der Ostukraine hat sich wieder verschärft. Heute treffen sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Premier Francois Hollande und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in Berlin für Gespräche. SRF sprach mit dem Politologen Andreas Umland.

SRF: Wird das Minsker Abkommen und die Waffenruhe in der Ostukraine so wie geplant durchgesetzt werden?

Andreas Umland: Wahrscheinlich wird es bis zum Ende des Jahres keine Durchführung der im Abkommen vereinbarten Massnahmen geben, welche zur Wiedereingliederung des besetzten Teils des Donezkbeckens in die Ukraine führen sollten. Aber es ist das einzige Dokument, auf das sich alle Seiten geeinigt haben, deswegen wird es weiterhin die Ausgangsbasis für die Verhandlungen zwischen den verschiedenen Parteien sein.

Heute ist der 24. ukrainische Nationalfeiertag. Wie geeint ist dieses Land noch?

Paradoxerweise ist die Ukraine heute so geeint wie noch nie. Das ist in erster Linie ein Resultat des Krieges und der Gefahrensituation im Land. Da rücken die verschiedenen Teile, Regionen und sozialen Schichten enger zusammen als das bisher der Fall gewesen ist. Kurioserweise hat dieser Konflikt zur politischen Nationsbildung der Ukraine beigetragen.

Der Krieg absorbiert viele Kräfte im Land. Wo gibt es vor allem Schwierigkeiten?

Das Land hat grosse innere Probleme, vor allem wirtschaftliche. Es steht vor grossen Reformherausforderungen. Das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union wird zurzeit in den Mitgliedsländern der EU ratifiziert. Die Freihandelszone soll ab erstem Januar in Kraft treten. Das sollten die Themen sein, mit denen sich die ukrainische Regierung befasst, aber momentan gilt die Aufmerksamkeit dem Krieg. Das ist auch der Sinn dieser russischen Intervention in der Ostukraine, nämlich die ukrainische Führung und Gesellschaft von der Reformierung des Staates abzulenken und die Europäisierung der Ukraine zu unterwandern.

Audio
Politologe Andreas Umland zu den Perspektiven der Ukraine
aus SRF 4 News aktuell vom 24.08.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 30 Sekunden.

Wie kriegsmüde ist die Bevölkerung?

Natürlich ist sie kriegsmüde. Dieser Krieg dauert ja schon über ein Jahr und es gibt fast jeden Tag Meldungen über Verletzte und Tote. Oft wird über diese Ereignisse im Westen gar nicht mehr berichtet, in der Ukraine aber schon. Man will Frieden, aber der ist bis jetzt nicht zu erreichen.

Ein Kriegsende ist kaum in Sicht. Gibt es immerhin die Möglichkeit, diesen Konflikt einzufrieren?

Andreas Umland

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Umland habilitierte am Lehrstuhl für Mittel- und Osteuropäische Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Seit 2010 lehrt er als Fachlektor und Dozent am Lehrstuhl für Politikwissenschaft im Master-Programm für Deutschland- und Europastudien der Nationalen Universität in Kiew.

Das würde man sich schon fast wünschen, allerdings würde so das Minsker Abkommen nicht implementiert werden. Dieses sieht nämlich die Wiedereingliederung des Gebietes in den ukrainischen Staatsverband vor. Da das womöglich nicht passieren wird, wäre eine Einfrierung zu begrüssen, denn so könnte sich die Ukraine auf ihre Probleme fokussieren. Aber das will Putin nicht. Er will, dass der Konflikt den ukrainischen Staat weiter in der Schwebe hält. Ich befürchte, es wird in näherer Zukunft keine Einfrierung nach dem Muster von Transnistrien, Südossetien oder Abchasien geben.

Gibt es eine andere Möglichkeit oder Perspektive, dass sich die Situation etwas verbessern könnte?

Die Hoffnung ist, dass die Sanktionen auf die Moskauer Führung so einwirken, dass es einen Politik- oder sogar einen Führungswechsel in Moskau gibt und dass dann die nationalen Interessen Russlands neu definiert werden. Dann wäre vielleicht eine Lösung innert weniger Wochen möglich.

Diese Änderung der Moskauer Politik ist aber noch nicht absehbar. Wie erschwert dieser Konflikt die Annäherung der Ukraine an die EU?

Der Konflikt macht die Ukraine natürlich weniger attraktiv für die Europäische Union. Das Assoziierungsabkommen war ursprünglich ein positives Zeichen für die Zukunft, jetzt erscheint die Ukraine eher als Sorgenkind. Da sie allerdings schon so nahe an der EU ist, kann diese die Ukraine nicht sich selbst überlassen und es wird weitergehen mit der politischen Integration.

Das Gespräch führte Lukas Mäder.

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