Die Atomverhandlungen mit dem Iran sind auf der Zielgeraden. Zwar sprachen manche schon Anfang April in Lausanne von einem grossen Durchbruch. Doch was dort ausgehandelt worden war, war bloss der Rahmen. Nun geht es um die Feinarbeit. Die Delegationen der UNO und des Irans sind in Wien eingetroffen.
Das allergrösste Problem sind die Sanktionen. Diesbezüglich haben der Iran einerseits und die UNO-Vetomächte plus Deutschland andrerseits fundamental andere Vorstellungen. Teheran will, dass sämtliche Sanktionen sofort fallen, sobald ein Atomabkommen in Kraft tritt. Das haben der oberste geistliche Führer Ali Chamenei, und Präsident Hassan Rohani unmissverständlich klargemacht.
Die Gegenseite, allen voran die USA, denkt hingegen an eine graduelle Aufhebung der Sanktionen. Scheibchenweise soll es Erleichterungen geben, wenn der Iran Schritt für Schritt sein Atomprogramm einschränkt – und zwar immer erst, wenn die Atombehörde IAEA bestätigt, dass Teheran seine Teile des Abkommens erfüllt hat.
Verhindert US-Kongress die Aufhebung?
Um die Sanktionen wird bis zur allerletzten Verhandlungsminute gerungen werden, so viel ist jetzt schon klar. Ein Kompromiss könnte so aussehen, dass einige Sanktionen sofort gekippt werden: Etwa indem Dutzende von Milliarden von den im Ausland blockierten iranischen Vermögen rasch freigegeben werden, andere Sanktionen jedoch – etwa das Ölembargo – noch einige Zeit in Kraft bleiben.
Ein zusätzliches Problem in der Sanktionsfrage ist das innenpolitische Tauziehen in Washington zwischen Präsident Barack Obama und starken Kräften im Parlament. Noch ist nämlich unklar, ob Obama überhaupt Wort halten könnte, wenn es um Zugeständnisse an den Iran geht. Der Kongress hat ein beträchtliches Störpotenzial.
Abweichende Sichtweisen des bisher Erreichten
Gestritten wird ebenfalls über die Überwachung. Starke Kräfte in Teheran wollen verhindern, dass die IAEA-Inspektoren jederzeit, überall und ohne Voranmeldung kontrollieren dürfen, auch in militärischen Sperrgebieten. Die Bremser bezeichnen eine solche Offenlegung als skandalösen Gesichtsverlust, ja als Kotau vor ausländischen Forderungen. Doch ohne volle Transparenz dürfte ein Abkommen chancenlos sein – zu oft hat das iranische Regime in der Vergangenheit getrickst.
Es herrscht aber auch in weiteren Punkten keine Einigkeit. So verbreiten die USA und der Iran stark voneinander abweichende Sichtweisen dessen, was in Lausanne verabschiedet wurde – oder angeblich verabschiedet wurde. Ob es um die Maximalzahl der erlaubten Zentrifugen zur Urananreicherung geht, um den Umbau des Schwerwasserreaktors Arak oder um den Export vorhandener Vorräte an angereichertem Uran: Überall bestehen Differenzen, und nicht im Millimeterbereich.
Zwar haben – nüchtern betrachtet – alle Beteiligten ein sehr grosses Interesse daran, Ende Juni endlich ein Atomabkommen zu unterzeichnen. Doch Nüchternheit ist in der Weltpolitik nicht immer der dominierende Faktor. Ob es klappt oder nicht, ist also noch ziemlich offen. Die Chancen sind intakt. Aber mehr nicht.