150'000 Flüchtlinge und Migranten kamen im letzten Jahr in Italien an, vor allem aus Afrika. Österreich geht davon aus, dass es in diesem Jahr doppelt so viele sein werden. Wie genau die Regierung in Wien auf diese Zahl kommt, bleibt unklar, denn es kursieren auch tiefere Zahlen.
Trotzdem reagiert Wien als sei diese Schätzung eine Gewissheit. Seit heute wird auf der Brenner-Passhöhe gebaut. Die italienischen Medien berichten von einem Grenzzaun und zeigen Stacheldraht. Österreichische Behörden aber beteuern, es handle sich nur um eine Anlage, um Personenkontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen sind zusammen mit den Asyl-Schnellverfahren zentraler Bestandteil der restriktiven Flüchtlingspolitik Österreichs.
Brennerpass als Zeichen der Freiheit
Die EU-Kommission zeigt sich «tief besorgt» über Österreichs Pläne zur Schliessung der Brenner-Grenze zu Italien. Der Brenner sei ein Zeichen für die Freiheit in der EU und der Schengen-Zone. Eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen müsste jedenfalls eine Ausnahme und verhältnismässig sein, betonte eine Sprecherin der EU-Kommission.
In Italien spricht man von einer «bösen Wunde». Die Europäische Union sterbe oben am Brenner, die Wirtschaft des ganzen Kontinents werde leiden, wenn der Verkehr an diesem zentralen Übergang zwischen Nord und Süd behindert werde.
Ein Tunnel für leichteren Grenzübertritt
Betroffen von der Sperranlage auf dem Brenner ist vor allem das italienische Südtirol. Als die Schlagbäume 1995 mit den Schengen-Verträgen fielen, war das für die Südtiroler eine grosse Erleichterung. Die Kontakte der mehrheitlich deutschsprachigen Südtiroler zu Österreich sind eng. Viele Jugendliche absolvieren ihre Lehre in Österreich oder studieren im nahen Innsbruck.
Während oben auf der Passhöhe an einer Sperranlage gebaut wird, bohrt man übrigens im Untergrund. Auch unter dem Brenner entsteht ein Basistunnel. Er wurde geplant zu einer Zeit, in der man den Grenzübertritt noch erleichtern und nicht erschweren wollte.