Das Handynetz funktioniert, als wir Denis Trubetskoy in der Hafenstadt Sewastopol erreichen – aber Strom gibt es keinen: «Hier sieht es zur Zeit so aus, dass man zwei Stunden mit und sechs Stunden ohne Strom auskommen muss», sagt er. Es sei eine schwierige Situation für die Halbinsel. Mobilfunknetze und Internet würden nicht richtig funktionieren und es gebe Probleme bei der Lebensmittelversorgung.
Abends sind die Strassen dunkel, erzählt Trubetskoy. Einzig im Zentrum der grossen Städte gebe es ein bisschen Licht. Und für Ende November haben die Bewohner der Krim Glück mit dem Wetter: «Momentan ist es sehr warm – es sind im Schnitt zwischen 16 und 18 Grad. Wenn es kälter wäre, wäre dies eine totale Katastrophe.»
Generatoren und Kerzen als Verkaufsrenner
Auf den Ausfall der Stromversorgung seien die Bewohner nicht vorbereitet gewesen, sagt Trubetskoy – obwohl es bereits vor einem Jahr Unterbrüche gab: «Die mangelnde Vorbereitung ist für mich unverständlich. Vor den Geschäften, in denen Generatoren und Kerzen verkauft werden, gibt es riesige Schlangen. Bereits vor einem Jahr wurde der Strom vom ukrainischen Festland teilweise abgedreht.»
Nicht nur die Bevölkerung auch die Behörden seien auf den Stromausfall nicht vorbereitet gewesen, was Trubetskoy erstaunt. Denn die russische Annexion der Krim sei nun schon über eineinhalb Jahre her – doch noch immer sei die Halbinsel beim Strom abhängig von der Ukraine.
Wut auf Kiew und die Krim Tataren
Vor zwei Monaten, im September begann sich die Lage auf der Krim zuzuspitzen. Krim Tataren blockierten die Strassenverbindung auf die Krim – Lastwagen aus der Ukraine mit Lebensmitteln und anderen Gütern des Alltags kamen nicht mehr durch. Grund für die Blockade: Die muslimische Minderheit fühlt sich diskriminiert, seit Russland die Krim annektiert hat.
Zwar betonen die Krim Tataren, sie hätten mit den Anschlägen auf die Strommasten, die zum Blackout geführt hatten, nichts zu tun. Doch zur Zeit verhindern sie zusammen mit ukrainischen Nationalisten, dass die Stromleitung repariert werden kann. Entsprechend schlecht ist darum die Stimmung in der Bevölkerung, sagt Trubetskoy: «Man schimpft sehr viel über Kiew und über die Krim-Tataren.»
Moskau baut Unterwasserkabel
Kommt hinzu, dass die Protest-Blockade der Krim Tataren nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Denn die Wut der Bevölkerung richtet sich trotz der Stromausfälle nicht gegen die russische Führung in Moskau: «Es gibt sehr viele Leute, die über lokale Behörden schimpfen. Kritik an Putin gibt es aber kaum. Politisch könnten die Stromausfälle gar Moskau in die Hände spielen», sagt der Journalist.
Deshalb will Moskau nun vorwärts machen mit dem Bau einer unabhängigen Stromversorgung. Bis Ende Jahr soll ein erstes Unterwasserkabel vom russischen Festland auf die Krim verlegt sein. Doch die Stromprobleme könnten noch länger dauern. Denn laut Expertenmeinungen brauche es noch zwei Jahre bis dieses System wirklich funktioniere, sagt Trubetskoy.