Felix Benneckenstein war rund zehn Jahre selbst aktiv in der rechtsradikalen Szene. Dann stieg er aus – heute arbeitet er für die Aussteigerhilfe Bayern.
SRF News: Was ist die Motivation, einen Brandsatz gegen eine Asyl-Unterkunft zu werfen?
Felix Benneckenstein: Das sind schon klare Signale. Es betrifft ja grösstenteils noch leer stehende Unterkünfte. Das Signal dabei ist, dass die Leute das unter Umständen auch tun, wenn diese Häuser bewohnt werden. Dann ist es so, dass einige Orte aufgrund der Anschläge erstmal keine Flüchtlinge aufnehmen. Das heisst, da erreicht die rechte Szene das, was sie möchte. Eine weitere Motivation ist auch – auch wenn das nicht funktionieren wird – eine Abschreckung für Menschen, die noch nach Deutschland kommen wollen oder auf dem Weg sind.
Sie selbst waren während mehreren Jahren aktiv in der rechtsradikalen Szene und haben dabei selbst auch an Prügeleien teilgenommen – wie hoch ist die Schwelle, Gewalt anzuwenden?
Die Schwelle, Gewalt anzuwenden, ist in dieser Szene extrem niedrig. Man bereitet sich in der ganzen Ideologie auf grosse, gewaltsame Umstürze vor. Man spricht davon, dass man das System bekämpfen möchte. Man hat den Anspruch, die «deutschen Ostgebiete», wie sie in der Szene genannt werden – also Teile, die nach 1948 beispielsweise Polen zugesprochen wurden – zurückzuerobern. Man verherrlicht überhaupt die Rolle Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Gewalt ist in der nationsozialistischen Ideologie fast schon ein Merkmal, ob man ein Mensch ist. Zumindest wird die Männlichkeit über die Gewalt definiert. Auf Gewalt stösst man da an jeder Ecke.
Wie war das bei Ihnen persönlich? Brauchte es Überwindung, bis Sie das erste Mal Gewalt angewendet haben?
Ja. Als ich in die Szene gekommen bin, musste ich mich erst damit anfreunden, dass ich mich jetzt auch körperlich verteidigen muss. Man prägt sich das ideologisch so ein, dass man sich selbst nicht als Täter sieht. Diese Auffassung ist ziemlich wichtig für die Psychologie der Menschen in dieser Szene. Ich musste ein paar Hürden überwinden, habe das aber bereitwillig getan, weil ich damals ideologisch schon soweit fortgeschritten war, dass ich eben auch dachte, wir als Deutsche müssen uns verteidigen – sonst gehen wir unter.
Und wenn Sie sich da geprügelt haben, beispielsweise mit linken Demonstranten: Was ist das für ein Gefühl nach solch einer Prügelei?
Das ist ziemlich unterschiedlich. Die Prügeleien an Demonstrationen hat man immer komplett als Verteidigung abgetan. Da sieht man sich denn auch nicht als Täter, sondern eher als Opfer. Ich habe mich in solchen Situationen persönlich nicht gut gefühlt, egal ob man als Gewinner oder Verlierer vom Platz ging. Viele Neonazis gehen aber gerade auf Demonstrationen, weil sie wissen, da könnten sie die Polizei und Linke angreifen.
Über diese Gewaltaktakte und Anschläge wird in den Medien sehr ausführlich berichtet. Was löst das bei den Tätern aus? Gibt es da auch eine Befriedigung darüber?
Die gibt es leider. Es ist eine Utopie zu glauben, dass die Nazi-Szene geschwächt wird, wenn wir darauf hinweisen, dass sie gewalttätig ist. Die Täter schaffen derartige Zustände auch, um ins Gespräch zu kommen. Es gibt in diesem Sinne keine schlechte Berichterstattung für sie, denn sie gewinnen Sympathien damit. Sie fischen an dem bürgerlichen Rand, an dem sich Menschen unzufrieden fühlen. Menschen, die vielleicht Gewalt auch schon im Alltag erleben, die haben ein ganz anderes Verhältnis dazu. Die Feindschaft vieler rechter Personen gegenüber Flüchtlingen ist dann schon so gross, dass einige, die mit diesen Gruppen ein bisschen sympathisieren, diese Gewaltaktion tatsächlich gut finden.
Das Gespräch führte Lukas Mäder.