SRF News: Wie berichten die Medien in Russland heute Morgen über den Abschuss des russischen Kampfjets?
David Nauer: Es wird vor allem rapportiert, was passiert ist. Der Akzent liegt dabei auf der russischen Version der Ereignisse. Es wird betont, dass der russische Jet den Luftraum der Türkei nicht verletzt habe und dass der Abschuss völlig unberechtigt gewesen sei. Mein Eindruck ist, seit diesem Vorfall von gestern haben sich die Reihen in Russland noch mehr geschlossen, als sie es eh schon waren. Es gibt kaum grundsätzliche Kritik am Kriegseinsatz in Syrien.
Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich ungehalten über den Abschuss. Er sagte: «Der tragische Vorfall wird ernste Konsequenzen für die russisch-türkischen Beziehungen haben». Was konkret meint er damit?
Bis jetzt hat der Kreml erst wenige Vergeltungsmassnahmen beschlossen. Die sind nach meiner Einschätzung noch verhältnismässig milde. Der türkische Militärattaché wurde in Moskau einbestellt, zudem hat Russland die Militärkontakte mit der Türkei abgebrochen und auch erklärt, dass russische Bomber über Syrien künftig von Jagdflugzeugen begleitet werden sollen. Es sind eher defensive Massnahmen. Gut möglich, dass noch weitere Dinge zur Vergeltung beschlossen werden, vor allem, was die wirtschaftliche Zusammenarbeit betrifft.
Die Türkei ist eine beliebte Destination für Russen, aber jetzt haben die Behörden die Bevölkerung aufgefordert, nicht in die Türkei zu reisen. Das klingt nach einem Boykottaufruf?
Es geht sogar noch weiter. Wie soeben bekannt wurde, haben die russichen Behörden den Verkauf von Ferienreisen in die Türkei verboten. Als Grund wird die Terrorgefahr in der Türkei angegeben. Für die Türkei ist das ein schwerer Schlag, denn die Russen sind traditionell eine der grössten Gruppen von ausländischen Besuchern und wenn die wegbleiben, leidet natürlich der türkische Tourismus, wobei auch die russische Tourismusindustrie unter dieser Massnahme leiden wird. Sie hat ja bereits den ägyptischen Markt verloren und muss sich nun darauf einstellen, weitere Einbussen zu haben.
Morgen kommt der französische Präsident Hollande zu Putin nach Moskau. Was ist zu erwarten? Will Putin in einer breiten Anti-Terror-Plattform, wie Hollande sich das wünscht, dabei sein?
Ganz klar ja. Putin hat ja schon vor den Anschlägen in Paris eine solche Koalition angeregt und auch gestern wiederholt, dass er daran interessiert sei. Der Abschuss des russischen Jets erschwert ein solches Zusammengehen von Russland und dem Westen und zudem bleibt das Grundproblem weiter bestehen, Russland unterstützt Assad und hält alle Assad-Gegner in Syrien für Terroristen. Unabhängig davon, ob es sich um den so genannten Islamischen Staat oder um sonstige Rebellen handelt. Der Westen will Assad weghaben, arbeitet mit einigen Rebellengruppen zusammen, und liefert ihnen Waffen. Wie dieser Konflikt zwischen Russland und dem Westen gelöst werden soll, ist bisher unklar und es ist auch nicht absehbar, wie sich diese gegensätzlichen Interessen einmal auflösen könnten.