Grossbritanniens Premierminister David Cameron, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der schwedische Premier Fredrik Reinfeldt und sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte: Ein gemeinsamer Bootsausflug der Vierergruppe in Schweden hatte zum Ziel, den besten Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zu finden.
Gleichsam gehört es zum Pflichtenheft des britischen Premiers, sich symbolisch den Skalp von einem der Kandidaten an den Gürtel zu heften. Der Konservative John Major hatte dem Ritual ebenso gefröhnt wie der Sozialdemokrat Tony Blair.
Verbündete auf Juncker-Gegner-Seite fehlen
Die baumelnde Trophäe soll herbe Männlichkeit und insulare Widerborstigkeit signalisieren: Wir wollen keinen überzeugten Europäer an den Schalthebeln der EU! Der Luxemburger Veteran Jean-Claude Juncker kommt somit nicht in Frage.
Ein neoliberaler Euroskeptiker, wie er Cameron vorschwebt, fände indessen anderswo kaum Billigung. Ihn aber braucht der Konservative, um seinen fadenscheinigen Plan für einen lockeren Binnenmarkt anstelle desjenigen der jetzigen EU umzusetzen.
Zudem ist das britische Veto auch nicht mehr, was es einmal war. Heute braucht es Sperrminoritäten, das heisst: Verbündete. Camerons zeitweilige Genossen, Schweden und die Niederlande, sorgen sich aber mehr um das Kräftegleichgewicht zwischen Kommission, Ministerrat und Parlament als um die Person Juncker.
Nicht sehr durchdachter Vorstoss von Cameron
Wie so oft scheint Cameron seine diplomatischen Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. So entpuppt sich sein Manöver als das Muskelspiel eines Säuglings auf Kosten seiner schwindenden Glaubwürdigkeit.
Briten, die einen groben Umgangston mit Brüssel schätzen, wählen die antieuropäische Partei Ukip. Das haben die letzten Urnengänge zu Genüge bewiesen. Es nützt Cameron wenig, dass auch sein liberaler Koalitionspartner und die Labour-Opposition sich dienstfertig gegen Juncker aussprechen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Ukip in diesem Wettlauf der Einäugigen stets die Nase vorne hat.
Camerons europapolitische Vorstösse haben eines gemeinsam: Sie sind kaum je durchdacht. Dass er nun ausgerechnet gegen einen bescheidenen Versuch Sturm läuft, das demokratische Defizit in der EU abzubauen, ist pikant. Ein Sieg hätte bloss den Effekt, die Bundeskanzlerin zu verärgern. Man sollte, besagt das englische Sprichwort, stets vorsichtig sein, was man sich wünscht – es könnte in Erfüllung gehen.