SRF News: China präsentiert diese Woche den 13. Fünfjahresplan. Das klingt nach Sowjetunion. Muss man das ernst nehmen?
Jason Inch: Die Pläne existieren seit 1953. Sie haben sich im Laufe der Zeit verändert, sind aber immer noch ein wichtiger Teil von Chinas Regierungssystem. In den letzten Jahrzehnten hatten sie wenig mit der Realwirtschaft zu tun, aber die letzten zwei oder drei Pläne wurden immer konkreter: Was die Ziele sind und welche Industrien gefördert werden sollen.
Was werden die wichtigsten Themen des 13. Planes sein? Was steht da eigentlich drin?
Erstens wird es darin um Innovation gehen. China will seine Wirtschaft mit niedriger Wertschöpfung umbauen in eine mit mehr Innovation in allen Sektoren. Sei es im Finanzsektor, in der Industrie oder im Dienstleistungssektor.
Zweites zentrales Thema wird Nachhaltigkeit sein. China muss sich mit riesigen Dilemmas im Umweltbereich auseinander setzen, wie der Luft- und Wasserqualität. Das ist eine grosse Herausforderung, aber auch eine riesige Chance. Da tun sich viele Geschäftsmöglichkeiten auf, zum Beispiel Solarpanels und Solarfarmen für ein zukünftiges China mit sauberer Energie.
Drittens wird sich der Fünfjahresplan der Thematik Urbanisierung annehmen. Diese war bereits Bestandteil früherer Pläne und ist absolut entscheidend für Chinas Zukunft. Eine konsumbasierte Wirtschaft funktioniert nur, wenn die Regierung den Trend der Urbanisierung weiterführt. Sie muss Wege finden, um mehr Leute in die Städte zu bringen, aber sie muss das auf eine urban nachhaltige Weise tun. Kann sie Städte schaffen, in denen man sinnvoll leben kann? Können Stellen in diesen Städten geschaffen werden? Werden diese Wirtschaftsräume wirklich funktionieren?
Sprechen wir über das Wirtschaftswachstum. Ist China da auf dem Höhepunkt? Wie geht es weiter?
China befindet sich in einer Phase, die «Neue Normalität» genannt wird. Die Regierung kündigte diese 2014 an. Zugunsten eines qualitativeren Wachstum wird eine langsamere Wachstumsrate akzeptiert. China wird in den billigen, exportorientierten Industriezweigen kein grosses Wachstum mehr haben, dafür bei den Dienstleistungen zulegen. Aber die Zeiten von zehn oder zwölf Prozent Wirtschaftswachstum sind vorbei. Das kommt nicht wieder. China wird zukünftig eine vernünftige Wachstumsrate zwischen fünf und sieben Prozent haben.
Der chinesische Mittelstand ist mittlerweile grösser als derjenige der USA. Kann die Regierung dessen Ansprüche bewältigen?
Ich glaube, die Idee eines Mittelstandes hat heute jeder chinesische Führer im Kopf. Chinesische Konsumenten müssen beginnen, mit ihrer eigenen Wirtschaft zu interagieren. Sie müssen einheimische Produkte und Dienstleistungen kaufen, anstatt Geld im Ausland auszugeben oder ausländische Produkte zu importieren.
Chinesen müssen überzeugt werden, Geld für etwas anderes als Immobilien auszugeben.
Das grosse Problem ist aber, die Chinesen davon zu überzeugen, Geld für etwas anderes als Immobilien auszugeben. Chinesen kaufen Immobilien, weil sie ein Kissen für zukünftige Lebenskrisen haben wollen oder für die Studiengebühren ihrer Kinder sparen. Um die chinesischen Konsumenten davon zu überzeugen, dass auch Lebensqualität wichtig ist und sie nicht ihr ganzes Einkommen in Immobilien stecken sollen, wird die Regierung das Gesundheits- und das Bildungssystem reformieren. Das kann den Konsumenten mehr Sicherheit geben.
Die chinesische Gesellschaft wird immer älter. Was tut die Regierung in dieser Hinsicht?
Man kann diese Entwicklung als ein Dilemma sehen, ich nenne es eine Gelegenheit. Chinas Senioren sind ein riesiger Markt. Sie verfügen auch über einige Kaufkraft. Nicht nur wegen ihrer Lebensersparnisse, sondern auch durch ihre Kinder. Die Aufgabe ist es, die richtigen Produkte und Dienstleistungen für ihr Einkommensniveau zu finden, dann eröffnen sich interessante Geschäftsfelder.
Sehen wir mit diesem Fünfjahresplan weitere Reformen und mehr Öffnung, oder ist das zu Ende?
Wir sehen eine neue Runde von Reformen und Öffnung. Es gibt einen neuen Fokus auf Unternehmertum. Wir lehren in unserem MBA, wie man ein Unternehmen gründet. Früher wählten Studierende unser Programm, um eine Stelle bei einem multinationalen Unternehmen zu kriegen. Heute kommen viele, um eigene Unternehmen zu gründen. Die chinesische Regierung unterstützt die Leute mit Subventionen oder anderen Anreizen. Etwa um sich in einer der Freihandelszonen anzusiedeln und gleich nach dem Studienabschluss eine Firma zu gründen.