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International Das Allerheiligste – nicht heilig für die Terrormiliz IS

Die Anschläge auf das Allerheiligste der Muslime in Medina zeigen einmal mehr, dass es der Terrormiliz IS um Macht und nicht um Religion geht. Einschätzungen von Fredy Gsteiger.

Medina.
Legende: Die Prophetenmoschee in Medina ist das zweitwichtigste Heiligtum des Islams. Keystone

In vielen Ländern war der Fastenmonat von Gewalt überschattet. In Syrien, Libyen, dem Irak und im Jemen herrschen teilweise schon Jahre andauernde Bürgerkriege. Zudem verübten Terroristen zahlreiche blutige Anschläge mit hunderten Toten, unter anderem in Bagdad, Istanbul und im saudischen Medina.

SRF News: Warum gerät jetzt Saudi-Arabien als wahhabitisches Land mit strengem Islam ins Visier der Terrormiliz IS?

Fredy Gsteiger: Das ist nicht wirklich überraschend. Die IS-Führung hat schon viele Male mit dem Sturz des saudischen Königshauses gedroht. Die Terrormiliz bezeichnet die Monarchie als korrupt und wirft ihr eine gotteslästerliche Zusammenarbeit mit dem Westen vor. Das zeigt einmal mehr die paradoxe Lage in Saudi-Arabien: Auf der einen Seite ist das Königshaus seit Jahrzehnten der Förderer, Sponsor und Exporteur des islamischem Radikalismus. Auf der anderen Seite ist es zugleich das Opfer dieser Strömung.

Schon Al-Kaida hatte zum Sturz der Golf-Monarchen aufgerufen und dies als sehr hohes und gar oberstes Ziel deklariert. Die Anschlagsserie zeigt aber auch, dass es dem IS letztlich gar nicht um Religion geht. Der IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi ist kein religiöser Mensch. Viele Kämpfer sind es nicht wirklich. Es geht ihnen um Macht. Die Religion ist nur ein Instrument, wenn auch ein sehr wirkungsvolles.

Warum kommen die Anschläge just zum jetzigen Zeitpunkt?

Audio
Saudiarabien gerät ins Visier des «Islamischen Staats»
aus Rendez-vous vom 05.07.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 54 Sekunden.

Wohl weil es den Terroristen nun gelang. Denn Terroristen sind auch Opportunisten. Sie sahen hier eine Chance, möglicherweise nach vielen erfolglosen Versuchen. Saudi-Arabien hat nach früheren Anschlägen die Terrorbekämpfung stark intensiviert.

Dann hängt es wohl mit dem Fastenmonat Ramadan zusammen. Der IS versuchte zumindest eine konzertierte Anschlagsserie. Man weiss zwar nicht, ob wirklich alles koordiniert war. Mit den Anschlägen von Istanbul, Bangladesch, Bagdad und nun Saudi-Arabien ist schon eine gewisse Kette zu vermuten. Eigentlich sollte der Fastenmonat Ramadan für Muslime ein Monat der Mässigung und des Nachdenkens sein. Doch die Radikalen legen ihn als Monat des Kampfes und der Eroberung aus.

Fredy Gsteiger

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Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Andere arabische Länder reagieren empört. Schneidet sich da der IS nicht ins eigene Fleisch?

Zweifellos. Zumindest bei jenen, die sich allenfalls aus religiösen Gründen zum IS hingezogen fühlen. Wo immer Anschläge verübt werden – die Terrormiliz muss damit rechnen, dass auch sehr viele Muslime getroffen werden, auch in Brüssel oder Paris.

Werden diese Anschläge Saudi-Arabien destabilisieren?

Mittel- bis langfristig ist das denkbar. Nach einer solchen Anschlagsserie werden die polizeiliche Überwachung und die Kontrollen ausgebaut und die Freiheiten noch mehr eingeschränkt. Dieser Druck von oben kann irgendwann Gegendruck von unten auslösen. Wann und wie die Menschen dies tun werden, ist nicht abschätzbar. Aber schon jetzt kann man sagen, dass das Königreich wahrscheinlich weit weniger stabil ist als oft angenommen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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