Der UNO-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura hat die USA und Russland zu einer neuen Friedensinitiative für Syrien aufgefordert. Erst wenn die Angriffe auf Aleppo und andere Orte aufhören, kann laut ihm ein neuer Termin für Genfer Syrien-Gespräche angesetzt werden.
Die im Februar massgeblich von Washington und Moskau durchgesetzte Waffenruhe sei «in grosser Gefahr und kann jederzeit kollabieren», sagte de Mistura in der Nacht bei einer Medienkonferenz in Genf. Er hoffe auf eine neue gemeinsame Initiative beider Mächte.
Danach sollten erneut die Aussenminister der Internationale Syrien-Unterstützergruppe (ISSG) zusammenkommen. Zu ihnen gehören neben der Arabischen Liga, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen auch 17 Länder, darunter Russland, die USA, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, der Iran, die Türkei und Saudi-Arabien.
Gemeinsame Ansätze, erhebliche Differenzen
De Mistura betonte, bei der am Mittwoch planmässig abgeschlossenen dritten Gesprächsrunde seien zumindest einige gemeinsame Ansätze für einen politischen Übergangsprozess erkennbar gewesen. Es bestehe weitgehend Einigung darüber, dass für Syrien eine Übergangsregierung gebraucht werde, die eine neue Verfassung vorbereiten solle.
Allerdings gebe es dabei noch «erhebliche Differenzen», räumte der UNO-Vermittler ein. Während die wichtigsten Oppositionsgruppen den Abgang des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verlangten, hat die Abordnung des Regimes stets betont, die künftige Rolle Assads stehe in Genf nicht zur Diskussion.
Die nächste Gesprächsrunde solle schnellstmöglich angesetzt werden, sagte de Mistura. Er hoffe, dass dafür im Mai ein konkretes Datum genannt und dann im Juli eine grössere Bilanz der Gespräche gezogen werden kann.
Abreise wegen Gefechten
Die wichtigste Oppositionsvertretung – das Hohe Verhandlungskomitee (HNC) – hatte ihre formelle Teilnahme an den Genfer Gesprächen vergangene Woche suspendiert. Als Grund nannte sie Angriffe von Regierungstruppen, die ein Verstoss gegen die Waffenruhe seien. Zudem protestierte sie gegen erneute Behinderungen humanitärer Hilfe für Menschen in belagerten Gebieten.
De Mistura beschrieb die Lage in Syrien als äusserst besorgniserregend. Durch die seit Tagen immer wieder aufflammenden Kämpfe sei «alle 25 Minuten ein Syrer getötet worden.»
Im Fokus steht die nordsyrische Stadt Aleppo. Nach Ausrufung der Waffenruhe war es dort zunächst ruhiger geworden. Seit vergangenem Freitag sind die Kämpfe wieder aufgeflammt – seitdem wurden Aktivisten zufolge mehr als hundert Menschen getötet.
Tote bei Angriff auf Spital
Bei Luft- und Raketenangriffen sind nach Angaben von Rettungshelfern allein am Mittwoch mindestens 30 Menschen getötet worden. Die Luftwaffe habe das Spital und ein nahe gelegenes Wohnhaus angegriffen, berichtete die als «Weisshelme» bekannte zivile Bürgerwehr.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete von einem von der Organisation unterstützten Krankenhaus in Aleppo, in dem bei Attacken mindestens drei Ärzte und 14 Patienten gestorben sein sollen.
Der Angriff habe das Viertel Sukkari in der von Rebellen kontrollierten östlichen Hälfte von Aleppo getroffen, sagten die freiwilligen Bergungskräfte der Nachrichtenagentur AFP. Die Luftwaffe setzte auch Fassbomben an, wie ein AFP-Korrespondent berichtete.
Angriffe auch auf Regime-Gebiet
Bei Raketenangriffen im Westteil der Stadt – der unter Kontrolle der Regierungstruppen steht – gab es nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Sana sieben Todesopfer und 35 Verletzte. Damaskus machte die islamistische Al-Nusra-Front und ihre Verbündeten dafür verantwortlich.
Seit 2012 sind bereits zwei Mal Versuche gescheitert, in Genf zu einer Verhandlungslösung für den Syrien-Konflikt zu kommen. Der Bürgerkrieg dauert bereits seit rund fünf Jahren an. Weit mehr als 250'000 Menschen haben ihr Leben verloren. Mehr als 4,5 Millionen Syrer flohen ins Ausland.