Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch in der Türkei verantwortlich gemacht. Gülen – der die Aktionen verurteilte und jede Verantwortung dafür zurückwies – ist seit einem schweren Zerwürfnis im Jahr 2013 zu einem der Erzfeinde Erdogans geworden. Hinter den meisten innenpolitischen Krisen vermutet Erdogan seit längerem die mächtige Bewegung des im US-Bundesstaat Pennsylvania lebenden Predigers.
Vom Freund zum Erzfeind
Erdogan wirft seinem einstigen Verbündeten vor, Parallelstrukturen im Staat errichten zu wollen und seinen Sturz zu betreiben. Die Regierung geht massiv gegen mutmassliche Gülen-Anhänger vor, die sie vor allem bei der Polizei und in der Justiz vermutet. Die Gülen-Bewegung wurde zu einer Terrororganisation erklärt, viele ihrer führende Köpfe stehen auf einer Liste der meistgesuchten Terroristen der Türkei. Die Türkei fordert Gülens Auslieferung.
Gülens Bewegung bestritt umgehend jede Beteiligung am Putschversuch. Er habe in den vergangenen Jahrzehnten selbst mehrere Militärputsche in seinem Heimatland miterleben müssen, daher sei die Behauptung, er sei in den Staatsstreich verwickelt, «besonders beleidigend», erklärte Gülen in der Nacht zum Samstag.
«Ich weise solche Anschuldigungen kategorisch zurück», betonte Gülen. Er verurteile den Putschversuch «auf das Schärfste». Er bete dafür, dass sich die Lage in der Türkei schnell und friedlich kläre, fügte Gülen hinzu.
Populärer Prediger
Der heute 75-jährige Gülen hat sich ursprünglich als einflussreicher islamischer Prediger einen Namen gemacht. Bis in die 1980er Jahre hinein wirkte er als Imam in verschiedenen türkischen Städten. Mit seinen Predigten und Büchern über den Islam, Bildungs- und Wissenschaftsfragen, soziale Gerechtigkeit und interreligiösen Dialog begeisterte Gülen viele Gläubige.
Gülens Bewegung Hizmet («Dienst») sieht einen ihrer Schwerpunkte in der Verbesserung von Bildungschancen. Seit 1999 lebt der gesundheitlich angeschlagene Prediger in Pennsylvania. Er war nach einer Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe ausgewandert.
«Gülen würde nicht Parlament bombardieren»
Experte Werner van Gent hält eine Beteiligung Gülens für unwahrscheinlich. «Gülen würde gerne die Macht übernehmen, aber er würde niemals das Parlament bombardieren.»