Die iranische Wirtschaft ist in einem katastrophalen Zustand. Wegen des Atomstreits hat der Westen drastische Sanktionen gegen Teheran verhängt. Die iranischen Unternehmen bekommen dies täglich zu spüren. Viele von ihnen hoffen deshalb auf eine Einigung im Atomstreit in den nächsten Tagen: Ein solcher Schritt würde den neuen Präsidenten Hassan Rohani stärken, zudem fielen die Sanktionen weg.
Zwar gibt es Firmen im Iran, die trotz der widrigen Umstände Gewinn machen. Allerdings gelingt dies nur mit grosser Anstrengung, wie ein Besuch bei den Brüdern Ghassaei zeigt. In der Nähe von Isfahan, in der Mitte des Landes, betreiben sie die Porzellanfabrik Zarin.
Keine Entlassungen
Abbas Ali Ghassaei ist der ältere der beiden. Er freut sich darüber, dass sein Bruder und er trotz der schweren Wirtschaftskrise und der Sanktionen alle Tausend Angestellten behalten konnten. «Wir mussten niemanden entlassen und arbeiten nach wie vor mit voller Kapazität», sagt er in fliessendem Deutsch. «Die Nachfrage nach guter Qualität besteht weiterhin.» Die Sprache hat Ghassaei in Nürnberg gelernt, wo er vor Jahrzehnten studierte.
Während er spricht, zischen und rütteln in der Fabrik die Maschinen. Auf den Fliessbändern reihen sich endlos Tassen, Teller und Kannen. Die Hände flinker Mitarbeiterinnen kontrollieren jedes einzelne Stück und veredeln das Porzellangeschirr mit Goldmustern.
Schwieriger Export
Exportiert wird das Geschirr vor allem in die Golfstaaten, in die Türkei und nach Zentralasien. Der grösste Teil der 8000 Tonnen Jahresproduktion aber bleibt im Iran: Viele heimische Hotels schwören auf Zarin Porzellan.
Auch wenn die Zahlen dies nicht vermuten lassen, ist die Unternehmensrealität unter den Sanktionen teuer und kompliziert. «Wir haben grosse Schwierigkeiten mit dem Europa-Geschäft», sagt Ghassaei. Das gelte aber auch für den Osten. So kommen die Maschinen in der Fabrik teils aus Deutschland, teils aus Korea und Japan. Ersatzteile zu kaufen, sei jedoch schwierig. Dasselbe gelte für die Bezahlung: Das Banksystem funktioniert für Geschäfte mit dem Ausland nicht. Die Ghassaeis weichen auf Wechselstuben aus, doch «das dauert meist sehr lange».
Misswirtschaft unter Ahmadinejad
Aber es sind nicht nur die Sanktionen, die das Geschäft erschweren. Auch die Misswirtschaft der Regierung Ahmadinejad sei zu einem grossen Teil verantwortlich für den schlechten Zustand der iranischen Wirtschaft, sagt Unternehmer Ghassaei: «Wir hatten mit unserem letzten Präsidenten sehr viel Schwierigkeiten. Es wurden viele Fehler gemacht.»
Einige iranische Ökonomen sind der Meinung, das Land sei unter Ahmadinejad richtiggehend ausgeplündert worden. Dreistellige Milliardenbeträge seien durch Korruption verloren gegangen. Sicher ist: Der Iran ist hochverschuldet. Ohne die Öffnung des Landes ist die Sanierung der Wirtschaft nicht zu vollbringen. Diese Öffnung hängt allerdings vom Ausgang des Atomstreits ab. Wenn es dem Iran gelingt, sich mit dem Westen zu einigen, fallen die Sanktionen weg.
Ein Viertel hat keine Arbeit
In diesem Fall käme der Moment, auf den viele ausländische Investoren warten: das grosse Geschäft mit dem Iran, einem der grössten und potentiell reichsten Märkte der Region. Der Iran hungert nach Investitionen und nach Arbeit – ein Viertel der jungen Iraner hat keine Stelle.
Umso grösser ist bei Unternehmer Ghassaei die Erleichterung, dass mit Präsident Rohani eine neue Ära begonnen hat: «Der neue Präsident ist viel vernünftiger», sagt er. «Wir haben grosse Hoffnungen. Ich glaube an die neue Regierung.» Ein erstes Zeichen hat Rohani bereits gesetzt: Innerhalb von 15 Monaten ist die Inflation von 45 Prozent auf 14 gesunken. Eine erste Beruhigung ist zu spüren. Doch es ist ein langer Weg.