Die Pläne Zyperns, den Kollaps ihres Finanzsystems abzuwenden, waren allesamt abenteuerlich und für die Argusaugen der Europäischen Zentralbank inakzeptabel. Ein Bankensystem, das derart fahrlässig auf die Rentabilität griechischer Staatsanleihen setzte, kann nur gesunden, wenn es blutet.
«Unbegreiflicher Leichtsinn» der Banken
Diese Einsicht ist nun wohl in den neu ausgehandelten Rettungsplan mit eingeflossen. Radikalität statt Hoffnungshandeln. Für den deutschen Wirtschaftsjournalisten Gerd Höhler besteht dennoch kein Grund, sich auf die Brust zu trommeln. Das Verdikt über den zyprischen Finanzplatz wird dessen Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen. Davon ist Höhler überzeugt.
Dass es dabei die beiden grössten Banken des Landes trifft, ist aus ökonomischer Sicht nichts als logisch.
So hatte sich die Laiki-Bank, die zweitgrösste Bank Zyperns, in eine äusserst prekäre Lage gebracht: Sie hatte sich auf die baldige Rentabilität griechischer Staatsanleihen verlassen – und zwar in dem Umfang, der praktisch ihrem gesamten Eigenkapital entsprach. In den Augen Höhlers ein «unbegreiflicher Leichtsinn».
Eine Unbeschwertheit zyprischer Finanzjongleure letztlich, die sich nach dem Schuldenschnitt in Griechenland vom letzten Jahr als brutaler Bumerang erwies: Fast 90 Prozent dieser Gelder lösten sich über Nacht in Luft auf.
Nicht nur Russen sind die Geprellten
Laiki-Anlagen von mehr als 100'000 Euro sollen nun also auf eine sogenannte «Bad Bank» transformiert werden. Für die Anleger könnte das durchaus den Totalverlust bedeuten, noch sei das kaum abzuschätzen, erklärt Höhler.
Aber auch den Grossanlegern der Bank of Cyprus, der grössten Bank Zyperns, wird es ans Eingemachte gehen. Abgaben auf ihre Vermögen bis zu 40 Prozent sind für den Wirtschaftsexperten Höhler durchaus denkbar.
Viele Geschädigte des Kamikaze-Kurses zyprischer Grossbanken kommen aus Russland. Angezogen von den Renditeaussichten griechischer Staatsanleihen investierten sie fast 31 Milliarden Euro. Sie sind aber bei weitem nicht die einzigen Geschädigten. Auch Briten und Libanesen werden im grossen Stil bluten, sagt Höhler. «Und nicht zuletzt werden auch zyprische Privatanleger und zyprische Firmen die Zeche bezahlen.»
Der Tourismus soll's richten
An der Wirtschaft eines kleinen Landes wie Zypern wird dies Spuren hinterlassen. Davon ist Höhler überzeugt. «Der zyprischen Wirtschaft steht ein grosses Erdbeben bevor», sagt der Experte. Es gehe nicht nur um die Arbeitsplätze in den betroffenen Banken. Fast die Hälfte des zyprischen Bruttoinlandprodukts stammte in der Vergangenheit aus dem Finanzsektor. Wenn die Gelder jetzt zur Hälfte einbrechen würden, steht Zypern eine harte, lang anhaltende Rezession bevor, prognostiziert Höhler.
Die Anleger werden sich in Zukunft fragen, ob sie in Zypern überhaupt noch investieren wollen. Sie werden den «Sündenfall der Zwangsabgaben» wohl nicht so schnell vergessen.
Entsprechend intensiv werden auf der Insel zurzeit die Diskussionen darüber geführt, wie die Wirtschaft des Landes diesen Hieb mit der Vertrauenskeule überstehen soll.
Eine Möglichkeit wird im Tourismus erkannt. Immerhin hat dieser Sektor fast gleich viel wie Zyperns Finanzdienstleister erwirtschaftet. Langfristig habe man neue Formen des Tourismus im Auge, erklärt Höhler. Wie genau diese neuen Formen aussehen werden, steht allerdings noch in den Sternen.