Deutschland rechnet im Jahr 2015 mit 800'000 Flüchtlingen. Das sind viermal mehr als im Vorjahr und doppelt so viele, wie von der Bundesregierung erwartet. «In diesem Jahr müssen und werden wir das verkraften. Auf Dauer allerdings sind 800'000 für ein solches Land wie Deutschland zu viel», sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière im ZDF.
Dies gelte insbesondere angesichts dessen, was andere europäische Länder leisteten. «Wir nehmen jetzt 40 Prozent aller Flüchtlinge in der EU auf», sagte der Minister. «Das ist auf die Dauer zu viel.»
Schengenabkommen in Frage gestellt
Im Interview mit dem ZDF brachte der deutsche Innenminister auch eine weitere mögliche Massnahme ins Spiel, die aufhorchen lässt: Grenzkontrollen. Damit stellt er das Schengenabkommen in Frage und stösst eine Debatte an, die vor kurzem wohl undenkbar gewesen wäre.
Zwar sei er für offene Grenzen und «ein überzeugter Europäer», sagte de Maizière. «Offene Grenzen gehen aber nur, wenn das System innerhalb der EU auch ausgeglichen funktioniert. Das ist nicht der Fall.» Wenn sich andere europäische Staaten sich nicht an Recht und Gesetz halten würden, dann bräuche es ein anderes Modell, das funktioniere.
Balkanländer zu sicheren Herkunftsländern deklarieren
De Maizière kündigte auch eine Milliarde Euro für Sofortmassnahmen an. Damit will er 150'000 neue Erstaufnahmeplätze erstellen, einen Koordinationsstab und beschleunigte Asylverfahrern einführen. Letztere sollen vor allem für die 40 Prozent Asylsuchenden aus dem Westbalkan gelten.
Diese kommen zumeist aus Albanien, Montenegro und dem Kosovo und gelten grösstenteils als Wirtschaftsflüchtlinge. In einem weiteren Schritt will die Bundesregierung diese drei Länder zu «sicheren Herkunftsländern» erklären. Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern haben kein Recht mehr auf politisches Asyl in Deutschland und könnten schnell und einfach abgeschoben werden.
Beim Thema «sichere Herkunftsländer» erhält Deutschland die Unterstützung von Frankreich. Der französische Innenminister sprach sich dafür aus, bei dieser Frage innerhalb der EU eine gemeinsame Linie zu vereinbaren.
«Hotspots» in Griechenland und Italien
Zudem wollen der französische und der deutsche Innenminister erreichen, dass noch bis zum Jahresende in Griechenland und Italien sogenannte Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen eingerichtet werden. An diesen sollen auch Experten aus EU-Stellen und anderen Mitgliedsstaaten mitarbeiten.