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International Die Kosten der Politik des «Irgendwie» in Brasilien

In knapp einem Monat werden in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele 2016 eröffnet. «Lebe deine Leidenschaft», ist das Motto. Doch bis jetzt machen sich in Rio statt Leidenschaft vor allem Wut und Sorge breit.

SRF News: Die U-Bahn zum Olympia-Park in Rio de Janeiro ist noch immer nicht fertig, die Guanabara-Bucht ist noch immer eine Kloake, die Kriminalität steigt, die Polizisten streiken und der Bürgermeister warnt: Rio drohe unregierbar zu werden. Können die Olympischen Spiele im August unter diesen Umständen wie geplant stattfinden?

Dawid Danilo Bartelt

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1963 geboren, studierte Bartelt in Bochum, Hamburg, Recife (Brasilien) und Berlin. Seit 2010 leitet er das Brasilien-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro. Zuvor war er acht Jahre lang Mediensprecher der deutschen Sektion von Amnesty International.

Dawid Bartelt: Ja, die Spiele werden stattfinden. Die Sachen werde immer irgendwie fertig und mit einem kurzfristigen Kraftaufwand bewältigt. Im Fernsehen wird das alles sicherlich grossartig aussehen.

Diese Politik des «Irgendwie» und des «Kurzfristigen» hat aber Kosten. Teils sind diese finanziell, als aber vor einigen Wochen ein Teilstück eines neuen Fahrradwegs ins Meer stürzte, kostete das auch Menschenleben.

Beim Bau wird gepfuscht und die Sachen halten nicht lange. Das betrifft die Menschen in Rio de Janeiro auch nach den Olympischen Spielen, denn niemand weiss, wie lange die neuen Bauten halten werden.

Ein grosses Problem in Rio ist im Moment die Sicherheit, unter anderem weil die Polizisten streiken. Wogegen protestieren sie?

Sie protestieren dagegen, dass sie seit Wochen oder gar Monaten keinen oder nur einen Teil ihres Lohns erhalten. Ein normaler Polizist verdient nicht viel, da macht sich das schnell existenziell bemerkbar.

Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist praktisch pleite und spart an allen Ecken und Enden. Da sind die Gehälter und die Pensionen des öffentlichen Dienstes eine gute Möglichkeit, Gelder zu sparen. Auch andere Beamte wie zum Beispiel Lehrer sind davon betroffen.

Rechnen Sie damit, dass die Polizisten während der Spiele auch streiken werden?

Die politischen Verantwortlichen werden alles tun, um das zu verhindern.

Es gibt Absprachen mit den Drogenhändlern, dass während der Spiele die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Polizei ruhen werden.

Vor zwei Jahren hat Brasilien die Fussball-WM ausgerichtet, jetzt Olympische Sommerspiele, das sind teure Projekte. Hat sich das Land übernommen?

Mit Sicherheit. Das ist eine gute Gelegenheit, die Entwicklung dieser Sportereignisse und insbesondere deren Finanzierung nochmals grundsätzlich zu diskutieren. Mit den völlig überraschenden Massenprotesten 2013 haben die Brasilianer auch schon damit begonnen. Meines Wissens gibt es da auch bereits erste Lernprozesse, sowohl bei der Fifa als auch beim Internationalen Olympischen Komitee.

Das kann so nicht weitergehen. In Brasilien hiess es im Vorfeld, dass der private Sektor den Grossteil der Kosten für die beiden Ereignisse übernehmen werde. Das ist aber nicht der Fall, mehrheitlich sind es die Steuerzahler, welche die Kosten tragen müssen.

Audio
«Die Wirtschaftskrise lähmt die Menschen»
aus Echo der Zeit vom 08.07.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 52 Sekunden.

Ein Argument für solche Grossereignisse ist jeweils, es werde eine Infrastruktur geschaffen, die der Bevölkerung zugute komme. Ist dem wirklich so?

Bei den Olympischen Spielen ist das ein bisschen der Fall. Da hat sich einiges verbessert: Es wurden vier Schnellbustrassen gebaut und eine U-Bahnlinie wird noch fertig gebaut. Allerdings folgt diese Verkehrsmodernisierung der Logik der Olympischen Spiele: Sie verbindet Flughafen und Stadtzentrum sowie Hotels und Sportstätten. Sie orientieren sich also nicht an den grossen Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung.

Trotz allem gibt es derzeit keine breite Protestwelle, wie das etwa vor zwei Jahren an der Fussball-WM der Fall war. Wieso ist das so?

Darüber wundere ich mich auch teilweise. Doch ist die Stimmung hier allgemein bedrückt und die Menschen wirken gelähmt. Sie konzentrieren sich darauf, den Alltag Tag für Tag zu bewältigen und nicht darauf, sich zusammenzuschliessen und zu protestieren.

Das Gespräch führte Roman Fillinger.

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