Momentan läuft in Genf ein internationales Filmfestival, das sich um Menschenrechte dreht. Auf dem Programm steht unter anderem der Dokumentarfilm «CitizenFour» über Edward Snowden. Anschliessend an den Film gab es eine Diskussion über Internetüberwachung. Eingeladen war auch Stasi-Experte Hubertus Knabe. SRF News hat mit ihm über Datenschutz und über die Zusammenhänge zwischen der Stasi und den internationalen Geheimdiensten gesprochen.
SRF: Kann man die Stasi und die modernen westlichen Geheimdienste miteinander vergleichen?
Hubertus Knabe: Nein. Da gibt es fundamentale Unterschiede. Vor allem die Rolle der NSA ist ja nicht darauf ausgerichtet, die Menschen zu unterdrücken, zu verunsichern und ihnen Angst zu machen, damit sie die Regierung nicht mehr kritisieren. Im Gegenteil, es geht darum, die Menschen zu schützen. Das ist ja auch die Aufgabe von staatlichen Sicherheitsorganen. Deswegen glaube ich, dass es die Debatte über die Gefahren eines solchen Organs zwar gibt. Aber gerade in Ostdeutschland, wo es die Stasi gab, reagiert man relativ kühl auf das Ganze. Es gibt keine Massendemonstrationen gegen die NSA. Die Leute sagen sich: «So what? Was kann uns das schaden?»
Man ist heutzutage sehr freizügig mit Informationen, was die sozialen Medien angeht. Das vereinfacht es dem Staat, an Informationen zu kommen, oder?
Das kann man auch positiv interpretieren: Die Leute haben keine Angst, sich zu offenbaren, weil sie keine Konsequenzen fürchten müssen. Aber ich denke, man sollte schon das Bewusstsein dafür schärfen, dass es auch mal anders sein könnte und dass diese Informationen missbraucht werden können. Ich glaube auch, dass damit nach und nach bestimme Grundfeste der Demokratie ausgehöhlt werden – namentlich die Unverletzlichkeit der persönlichen Sphäre. Dadurch verwischt auch der Unterschied zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur. Das ist problematisch.
Eine Parallele zwischen der NSA und der Stasi ist, dass die Stasi die Pässe eingezogen hat, um Leute am Reisen zu hindern. In den neusten Dschihadismus-Diskussionen passiert das auch. Sehen Sie da Parallelen?
Wie gesagt, es beunruhigt mich, dass bestimmte Grundprinzipien des Rechtsstaats ausgehöhlt werden. Eines dieser Prinzipien ist, dass man nur für das bestraft und verfolgt werden kann, was man wirklich begangen hat. Was jetzt passiert, und das ist eine Parallele zu der Stasizeit, ist, dass man dazu übergeht, die Menschen vorbeugend zu überwachen. Man wird sozusagen prophylaktisch aktiv und nimmt eben auch die Ausweise gewisser Bürger weg. Darüber entscheidet kein Richter. Das finde ich sehr problematisch.
Seit den Anschlägen auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» wird der Ruf nach mehr Sicherheit, nach mehr Staat lauter. Befürchten Sie einen Rückfall in stasiähnliche Zeiten?
Das Schutzbedürfnis der Bevölkerung ist völlig verständlich. Aber man muss bei den Methoden aufpassen und nicht alles machen, was möglich ist. Es geht vor allem darum, dass die Überwachung kontrolliert, rechtstaatlich und transparent erfolgt.
Das Gespräch führte Thomas Gutersohn.