Auf die Verkaufsstellen des französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo» hat es heute Mittwoch einen riesigen Ansturm gegeben. An etlichen Zeitungskiosken in Paris und anderen Städten des Landes war die erste Ausgabe des Blattes seit dem Attentat auf die Redaktion innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Viele Stammkunden hätten sich schon im Vorfeld Exemplare reserviert, berichteten Verkäufer nach dem Verkaufsstart in den frühen Morgenstunden.
Die neuste Ausgabe: «Charlie Hebdo» bleibt sich treu
- Das Titelbild zeigt den Propheten Mohammed mit einem Schild in den Händen, auf dem steht: «Je suis Charlie.» Der Prophet verdrückt eine Träne. Überraschender ist die Überschrift der Karikatur: «Tout est pardonné», zu deutsch: «Alles ist vergeben.»
- In einer Zeichnung wird darauf angespielt, dass einer der Attentäter bei einem Entsorgungsbetrieb arbeitete. In der Karikatur steht der Abfallsortierer ratlos vor zwei Mülltonnen, von denen eine die Aufschrift «Gut» und die andere die Aufschrift «Böse» trägt. «Das ist zu kompliziert», steht dazu in der Sprechblase.
- In einer anderen Karikatur fragen die von der Polizei getöteten Attentäter im Himmel nach Jungfrauen, die sie von Gott als Belohnung für ihren Terrorangriff erwarten. Die seien alle beim Team von Charlie, wird ihnen aus einer Wolke zugerufen, in der eine wilde Party steigt.
- «Welche Zukunft für Dschihadisten?», heisst eine andere Karikatur. Sie zeigt drei bewaffnete junge Männer mit Zottelbärten bei der Arbeitsagentur. «Supermarkt-Wächter?», fragt die Beamtin.
- Auch das jüngste Boko-Haram-Massaker in Nigeria wird thematisiert: Zwei Dschihadisten kommentieren: «2000 potenzielle Charlie-Abonnenten weniger».
Die Redaktion bleibt ihrem Stil also treu, spottet, krittelt und trotzt weiter – und trifft damit mitten ins Mark. Die 1178. Ausgabe der Satirezeitschrift erscheint in einer Grossauflage von drei Millionen Exemplaren.
Diese soll nun auf fünf Millionen erhöht werden, gab der Vertrieb bekannt. Heute Mittwoch wurden eine Million Exemplare verteilt. Der Inhalt soll in 16 Sprachen übersetzt werden, unter anderem ins Englische, Deutsche, Spanische, aber auch ins Türkische und Arabische.
Scharfe Kritik aus Nordafrika
Ägyptische Islamgelehrte übten derweil scharfe Kritik an den neuen Mohammed-Karikaturen. Diese «ungerechtfertigte Provokation von 1,5 Milliarden Muslimen weltweit» werde eine neue Welle des Hasses auslösen.
Das erklärte die wichtige religiöse Einrichtung Dar al-Ifta in Kairo. Die Terrorgruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb ihrerseits drohte im Internet mit weiteren Angriffen auf Frankreich.
Zwei Attentäter hatten vergangenen Mittwoch die Redaktion des Magazins gestürmt und zwölf Menschen erschossen. Der Anschlag war der Auftakt einer fast dreitägigen Terrorwelle im Grossraum Paris, bei der fünf weitere Menschen starben.