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International «Die Syrer kommen sowieso»

Für den UNO-Sondergesandten François Crépeau geht die Diskussion über Migranten in Europa in die völlig falsche Richtung. Der Völkerrechtler plädiert längerfristig für eine Öffnung der europäischen Grenzen. Und kurzfristig für die Aufnahme von einer Million syrischen und eritreischen Flüchtlingen.

SRF News: Herr Crépeau, wie wollen Sie die europäischen Politiker dafür gewinnen, kurzfristig eine Million syrische Flüchtlinge aufzunehmen?

François Crépeau

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Der Kanadier François Crépeau ist Professor für Völkerrecht an der McGill University in Montréal. Seit 2011 amtet er zudem als Sonderberichterstatter der UNO für die Menschenrechte von Migranten.

François Crépeau: Die Syrer kommen sowieso. Fragt sich, ob wir es den Schleppern überlassen, diesen Fluss von Menschen zu kontrollieren, oder ob wir das selbst in die Hand nehmen. Ich schlage vor, dass der «globale Norden» eine Million Syrer und Eritreer in den nächsten fünf Jahren aufnimmt. Für die Schweiz würde das etwa 3000 Personen pro Jahr bedeuten. Das wäre absolut machbar.

Die Schweiz macht das ja schon.

Eben. Eine Million klingt nach viel. Wenn man die Zahl aber in Beziehung setzt zu 500 Millionen Europäern, wird sie rasch klein.

Die Mehrheit der Migranten sind ja nicht politische Flüchtlinge, sondern Menschen, die vor der Misere im Nahen Osten und Afrika flüchten. Wie wollen sie diese Ströme steuern?

Wir müssen uns vor Augen führen, dass es für viele sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge ebenfalls ums Überleben geht; genauso wie für die politischen Flüchtlinge. Das sind Menschen, die in ihren Herkunftsländern nichts haben und nur überleben wollen. Auch sie brauchen einen gewissen Schutz – wenn auch nicht den gleichen wie politische Flüchtlinge. Wenn wir diese Menschen bei ihrer Migration nicht unterstützen, tun es die Schlepperbanden.

Auch für die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge geht es ums Überleben.

Wie soll der Norden das machen, ohne dass er von Migranten überrannt wird?

Die Idee ist, den Leuten die Einreise massiv zu erleichtern. Zum Beispiel indem man ihnen Visa gibt und sie über offizielle Grenzübergänge einreisen lässt. Wir erteilen ihnen zum Beispiel eine Aufenthaltsbewilligung, um hier Arbeit zu suchen. Finden sie eine, bekommen sie eine Aufenthaltsbewilligung. Ansonsten müssen sie ausreisen, dürfen aber wieder kommen. Das schafft den Anreiz, dass sie in der Legalität bleiben. Eine solche Regelung würde nicht nur den Schlepperbanden das Geschäft verderben, sondern auch Arbeitgebern, die Migranten schwarz anstellen und sie ausbeuten. Die Behörden hätten mehr Kontrolle. Und der Staat wüsste wieder, wer kommt, wer arbeitet und wer Steuern bezahlen muss.

Das würde aber nichts daran ändern, dass gewisse Länder in Europa attraktiver sind als andere. Die Schweiz zum Beispiel würde überrannt.

EU-Staaten gegen Quoten

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Die Flüchtlingsfrage spaltet Europa. Die Mehrheit der EU-Staaten will sich nicht dazu verpflichten, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Hier erfahren Sie mehr.

Meine Vorschläge müssen nicht am 1. Januar 2016 umgesetzt werden. Ich präsentiere Ideen für die nächsten 15, 20 Jahre. Bevor wir sie umsetzen können, müssen wir die Asyl- und die Sozialpolitik harmonisieren, das ist klar. Wenn es überall ähnliche Standards gibt, wird sich die Migration in Europa besser verteilen. Die Migranten werden dorthin gehen, wo sie Arbeit finden. Und zwar legale Arbeit und nicht Schwarzarbeit wie beispielsweise heute in der italienischen Landwirtschaft. Das ist für alle von Vorteil. Aber dafür müssen wir die Migranten in die Legalität bringen und weg von den Schleppern.

Sehen Sie Politiker in Europa, die ihre ehrgeizigen Reformen umsetzen wollen?

Sehr wenige. Unsere Demokratien dienen nur jenen Menschen, die repräsentiert werden. Die Politiker müssen die Migranten nicht berücksichtigen. Darum müssen wir die Stimmen der Migranten in die Öffentlichkeit holen und so den Mitteparteien Argumente liefern. Wenn Sie die Menschen fragen: «Hat es zu viele Muslime bei uns?» Dann sagen alle ja. Wenn Sie sagen: «Mohammed aus der Wohnung unter ihnen muss ausreisen», dann heisst es: «Nein, der doch nicht, den kennen wir.» Wir müssen dafür sorgen, dass Migranten nicht mehr als bedrohliche Masse, sondern als Individuen wahrgenommen werden. Und ich finde: Wir sollten unsere Wahlgesetze anpassen. Wer hier lebt und Steuern bezahlt sollte auf lokaler Ebene auch wählen dürfen – nicht nur die Bürger, die hier oder um Ausland leben.

Audio
«Die Flüchtlinge kommen sowieso»
aus Echo der Zeit vom 17.06.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 12 Sekunden.

Sie kritisieren Europa, weil es die Schlepperei fördere. Aber die Migranten fliehen zunächst einmal vor der Misere in ihren Ländern. Müssten Sie als UNO-Sonderberichterstatter nicht vor allem die Situation in diesen Ländern kritisieren?

Keine Frage: Länder, die von Konflikten betroffen sind, brauchen Demokratie und Entwicklung. Daran arbeitet die UNO und dabei gibt es ja auch gewisse Erfolge. Aber: Migration gab es immer und wird es immer geben. Wenn wir Migranten besser schützen, ihnen mehr legale Einreisemöglichkeiten geben, ist das auch zu unserem Vorteil. Wir drängen die Schlepper-Mafia zurück. Wir würden wieder wissen, wer kommt, wer geht. Wir würden unsere Grenzen wieder wirklich kontrollieren.

Das Gespräch führte Roman Fillinger.

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