«Das Boot ist voll», erklärte zwar die Vorsitzende der norwegischen Fortschrittspartei Siv Jensen noch vor wenigen Tagen. Und ihr Ministerkollege, Justizminister Anders Anundsen unterstrich, dass sein Land in den kommenden Jahren keine zusätzlichen Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen werde.
Doch die klare Botschaft der nationalkonservativen Fortschrittspartei, die seit zwei Jahren zusammen mit der konservativen «Höyre»-Partei von Ministerpräsidentin Erna Solberg ein Minderheitskabinett bildet, hatte nur wenige Tage Bestand: Nun einigten sich nämlich sechs der acht im Parlament vertretenen Parteien auf einen relativ grosszügigen Kompromiss in der Asylpolitik gegenüber Syrien.
Bis Ende 2017 sollen weitere 8000 Menschen aus dem Kriegsgebiet eine Bleibe in Norwegen erhalten. Das sind zwar viel weniger als im benachbarten Schweden, wo alleine in diesem Jahr fast 20’000 syrische Flüchtlingen Zuflucht finden dürften, aber viel mehr als in Finnland, Dänemark und in der Schweiz. Dafür werden in den Staatsbudgets der kommenden Jahre insgesamt umgerechnet rund fünf Milliarden Franken reserviert.
Innerparteilicher Konflikt
Mit dem Kompromiss in der Flüchtlingsfrage ist es den regierenden Konservativen gemeinsam mit den Oppositionsparteien gelungen, das Veto der mitregierenden Fortschrittspartei zu brechen. Kommt hinzu, dass die Umsetzung ausgerechnet den Ministern der Fortschrittspartei obliegt.
Es überrascht deshalb nicht, dass es nun innerhalb der nationalkonservativen Fortschrittspartei rumort und erste Rufe nach einem Austritt aus der Regierung zu hören sind. Dabei wird einmal mehr der alte Machtkampf zwischen dem rabiaten Parteigründer Carl I. Hagen und seiner Nachfolgerin Siv Jensen deutlich.
Hagen fordert ein Ende der Koalition. Die machtbewusste amtierende Parteichefin, Finanzministerin und Vizeregierungschefin Jensen will in der Regierung bleiben – das zeigen ihre Funktionen. Ein Ende der Koalition ist deshalb nicht wahrscheinlich.
Widerstand der Gemeinden
Als eines der reichsten Länder der Welt übernimmt nun Norwegen mehr Verantwortung. Es tut sich allerdings schwer damit, im weitläufigen und schwach besiedelten Land genügend Wohnplätze für Flüchtlinge zu finden. Hinzu kommt der Widerstand vieler Gemeinden, die über eine mangelhafte Infrastruktur für die Aufnahme und die Betreuung im Bildungs- und Gesundheitsbereich verfügen.