SRF News: Warum hat die konservative Nea Dimokratia so klar verloren?
Rodothea Seralidou: Das Wahlergebnis zeigt ganz klar, dass die Nea Dimokratia die Wählerinnen und Wähler doch nicht überzeugen konnte. Sie haben es vorgezogen, Syriza eine zweite Chance zu geben, während sie von den alten Parteien – den Konservativen und der sozialistischen Pasok – immer noch bitter enttäuscht sind. Sie machen sie für den Zustand des Landes verantwortlich, denn diese Parteien waren jahrzehntelang abwechselnd an der Macht. Die Kritik richtet sich vor allem auch an den neuen Parteichef der Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis: Auch er gehört der alten Politikerkaste an, welche man für die Situation im Land verantwortlich macht. Das traditionelle Gesicht, das die Partei zeigen wollte, um die alten Wähler zurückzugewinnen, hat die Menschen ebenfalls nicht so recht überzeugt. Mit ihrer Strategie konnten die Konservativen weder bei der Jugend, noch bei den älteren Menschen punkten.
Viele Leute sind aus finanziellen Gründen nicht zur Wahl gegangen.
Warum war die Wahlbeteiligung mit nur 55 Prozent so tief?
Tatsächlich ist fast jeder zweite Grieche nicht zur Wahl gegangen. Wahlexperten sagen, dass diejenigen, die letztes Mal Syriza gewählt haben und enttäuscht wurden, keine glaubwürdige Alternative gefunden haben und gar nicht erst wählen gegangen sind. Zum anderen wird es für viele auch finanzielle Gründe gegeben haben: Die meisten Griechen müssen nämlich in ihren Heimatort fahren, um zu wählen. Nachdem man im Januar schon Wahlen und im Juli das Referendum zum Sparprogramm hatte, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich viele Wählerinnen und Wähler die Benzinkosten und auch die Maut-Gebühren nicht leisten konnten und deshalb zu Hause geblieben sind.
Wahlsieger Alexis Tsipras braucht nun einen Partner zum Regieren. Warum spannt er wieder mit der rechtspopulistischen Anel zusammen?
Tsipras hatte ja bereits vor den Wahlen eine Koalition mit der Nea Dimokratia ausgeschlossen. Es zeigt sich nun, dass er dies auch wirklich so gemeint hat. Man sieht nun aber auch, dass er mit dem Chef der unabhängigen Griechen schon längst abgesprochen hatte, dass er gerne die Koalition fortführen würde. Denn trotz des ideologischen Unterschieds haben beide gemeinsam, dass sie im Grunde gegen die Sparmassnahmen sind. Und trotzdem wollen sie, dass das Land weiterhin in Europa und im Euroraum bleibt und die Reformen umsetzen.
Tsipras muss nicht mehr mit Widerstand aus den eigenen Reihen rechnen.
Nun rückt die Umsetzung des Spar- und Reformprogramms, das die EU verlangt, in den Fokus. Ist es für Tsipras jetzt mit der Wahlbestätigung einfacher geworden, diese Massnahmen umzusetzen?
Ja. Einerseits wissen die Griechen nun, dass Tsipras das unterschriebene Sparpaket umsetzen muss und haben ihm trotzdem ein frisches Mandat gegeben – er hat also den Rückenwind seitens der Bevölkerung. Zudem ist es für Tsipras auch einfacher, weil er die linke Plattform, die innerparteiliche Opposition die die Sparmassnahmen nicht mittragen wollte, losgeworden ist. Diese Parlamentsabgeordneten hatten eine eigene Partei gegründet, haben es aber jetzt nicht ins Parlament geschafft. Er muss also nicht mehr mit grossem Widerstand aus den eigenen Reihen rechnen. Und er kann weiterhin mit den Stimmen der anderen Oppositionsparteien rechnen. Diese haben gezeigt, dass sie die Reformen mittragen werden.
Kann man also das Fazit ziehen, dass Griechenland nun in eine etwas stabilere Zukunft blickt?
Das ist die grosse Hoffnung. Viele Griechinnen und Griechen wollen nun endlich Stabilität und eine Regierung, die es schafft, ganze vier Jahre an der Macht zu bleiben und ihr Programm umzusetzen. Ob es diese Regierung sein wird oder ob sie mit den ersten Schwierigkeiten wieder das Handtuch werfen wird, wird sich noch zeigen.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.