Bereits zum zweiten Mal innert acht Monaten entscheiden die Griechen über die Zusammensetzung ihres Parlaments. Nachdem Ministerpräsident Alexis Tsipras im August das dritte Reform- und Hilfspaket für Griechenland mit den Gläubigern unterzeichnet hatte, war es zum Zerwürfnis innerhalb seiner Syriza-Partei gekommen: Der linke Flügel der Partei goutierte es nicht, dass Tsipras damit das Volksnein aus dem Referendum ignorierte. 30 Abgeordnete traten aus der Partei aus, worauf der Ministerpräsident die Mehrheit im Parlament verlor und Neuwahlen ausrufen musste.
Knappes Duell zwischen Syriza und den Konservativen
Dass Tsipras auch nach dem 20. September die Geschicke Griechenlands leiten wird, ist insofern alles andere als gewiss. Laut den neusten Umfragen zeichnet sich zwischen der linken Syriza und der konservativen Nea Dimokratia mit ihrem Spitzenkandidaten Evangelos Meimarakis ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Doch die absolute Mehrheit dürfte keine der beiden Parteien erreichen.
Ein Problem teilen sich Tsipras und Meimarakis: Beide müssen Fehler eingestehen und gleichzeitig die Stimmen der Wähler gewinnen. Tsipras konnte nach seinem Wahlsieg am 25. Januar kaum eines seiner Wahlversprechen einhalten: So wollte er das Sparprogramm per Gesetz annullieren. Jedoch verschleppte er die Verhandlungen mit den Geldgebern über Monate. Am Ende blieb Tsipras nichts anderes übrig, als einem noch härteren Sparprogramm zuzustimmen.
Demut und Selbstkritik
«Ja, ich habe Fehler gemacht», räumt Tsipras denn auch ein. Auch viele seiner Personal-Entscheidungen seien falsch gewesen, gibt er zu. Sein oberstes Ziel ist es nun, mit den Gläubigern über eine Umstrukturierung des griechischen Schuldenbergs zu verhandeln.
Im Gegensatz zu seinen konservativen Vorgängern habe er hart gekämpft. Dass er am Ende doch einem strengeren Sparprogramm zugestimmt habe, liege allein am Widerstand grosser konservativer Kräfte vor allem in Berlin.
Auch der konservative Meimarikis muss Fehler seiner Partei eingestehen. Die Nea Dimokratia wird als alte und etablierte Partei für die weitverbreitete Vetternwirtschaft in Griechenland mitverantwortlich gemacht. Er habe aber daraus gelernt, gibt sich Meimarikis geläutert. Seine Partei positioniert er als Garantin für Stabilität: So habe die Nea Dimokratia Griechenland 1980 in die damalige EG geführt. Stabilität könne es aber unter den jetzigen Umständen nur durch eine enge Kooperation aller pro-europäischen Kräfte geben.
Wir brauchen eine politische Nationalmannschaft.
Dass es zu keiner Koalition der beiden grossen Parteien kommen wird, stellte Tsipras in einer TV-Debatte klar: «Entweder wird es eine progressive oder eine konservative Regierung geben», sagte er bei einem TV-Duell. Eine grosse Koalition nannte er eine «unnatürliche Kooperation».
Keine Wahlversprechen
Meimarakis hingegen schliesst eine Zusammenarbeit nicht aus, um das Land aus der schweren Krise zu führen. «Wir brauchen eine politische Nationalmannschaft», reichte der Vorsitzende der Konservativen seinem Kontrahenten die Hand.
Mit grossen Wahlversprechen warteten weder Meimarikis noch Tsipras auf. Beide wollen das harte Sparprogramm durch einige Änderungen etwas erträglicher machen: Doch konkrete Massnahmen lieferte keiner der beiden.