Im Mordfall des Kreml-Kritikers Boris Nemzow hat die russische Polizei einen weiteren Verdächtigen festgenommen. Das teilten die Behörden der Nordkaukasusrepublik Inguschetien mit. Damit steigt die Anzahl festgenommener Personen auf drei.
Zuvor hatte der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau die Verhaftung von zwei Männern bekannt gegeben. Nach Angaben der Behörden in Inguschetien sind zwei der Verdächtigen Brüder. Die Brüder Ansor und Schagid G. hätten länger in Moskau gelebt, meldete die Agentur Interfax. Der dritte Verdächtige, Saur D., sei einige Zeit in Tschetschenien gewesen. Es gebe gute Hinweise, dass die Männer direkt in die Tat verwickelt gewesen seien, berichtete die Agentur unter Berufung auf Ermittlerkreise.
Der Geheimdienstchef nannte nach der Bekanntgabe der ersten Verhaftungen keine weiteren Einzelheiten. Präsident Wladimir Putin sei über die Festnahmen informiert worden. «Die operativen und notwendigen Ermittlungen dauern an», sagte der FSB-Chef.
Spuren im Fluchtauto
Aus Ermittlerkreisen verlautete, das mutmasslich bei der Tat genutzte Fluchtauto sei relativ schnell gefunden worden. Spuren in dem Fahrzeug hätten bei der Suche nach den Verdächtigen geholfen. Zudem hätten die Ermittler aus dem Bildmaterial der Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts scharfe Fotos filtern können.
Dennoch sei es zu früh, von einem Durchbruch in dem Mordfall zu sprechen, hiess es. Über eine mögliche Untersuchungshaft solle in den kommenden Tagen entschieden werden.
Skepsis bei Oppositionellen
Wegbegleiter Nemzows reagierten zurückhaltend. «Wir hoffen, dass Menschen festgenommen wurden, die tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun haben, dass dies kein Fehler ist, sondern das Ergebnis einer guten und qualitativen Arbeit der Sicherheitsorgane», sagte der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin. Sollte der Schütze unter den Verdächtigen sein, müssten aber auch die Hintermänner gefunden werden, forderte er.
Der 55-jährige Oppositionspolitiker Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke in der Nähe des Kremls von einem Unbekannten hinterrücks erschossen worden. Der Mord löste in Russland und weltweit Bestürzung aus.
Zeugin hat Russland verlassen
Die Hauptzeugin, eine Ukrainerin, durfte Russland nach intensiver Befragung der Ermittler verlassen. Nach Morddrohungen steht sie in ihrer ukrainischen Heimat unter Polizeischutz. Am Dienstag wurde Nemzow auf einem Moskauer Friedhof beerdigt.
Die russischen Behörden gehen von einem politisch motivierten Auftragsmord aus und verfolgen unterschiedliche Spuren, unter anderem mit nationalistischem oder extremistischem Hintergrund. Kritiker vermuten die Verantwortlichen indes im Umfeld des Kremls.
Nemzow – ein Gegner Putins
Nemzow, früherer Vize-Ministerpräsident, war ein scharfer Kritiker Putins und ein Gegner der russischen Unterstützung für die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine.
Putin hatte nach dem Mord eine Aufklärung des Verbrechens angekündigt. Die Behörden setzten für Hinweise auf die Täter eine Belohnung in Höhe von umgerechnet rund 45'000 Franken aus.