Reiche Italiener haben jahrelang ihr Geld bei Banken im Tessin versteckt. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist: Italienische Poltiker und Prominente deponierten ihr Geld gerne auch in Genf – bei der Bank HSBC. Herausgefunden haben das die italienischen Steuerbehörden dank Hervé Falciani, dem mutmasslichen Bankdaten-Dieb. Heute hat in Bellinzona der Prozess gegen ihn begonnen.
Das Datenmaterial, das Falciani in Genf entwendet hat, umfasst die Namen von mehr als 100'000 Bankkunden. Darunter sind über 7000 Italienerinnen und Italiener. Die Liste liest sich wie ein Verzeichnis italienischer Prominenz: Valentino Rossi, der Motorradrennfahrer mit 9 Weltmeistertiteln. Flavio Briatore, erfolgsverwöhnter Industrie- und Sportmanager. Aber auch Politiker wie Pippo Civati, einst ein Parteikollege von Premier Matteo Renzi, befinden sich darunter.
Zweifelhafte Aussagekraft der Enthüllungen
Gerade der Fall Civati zeigt allerdings auch, dass die Aussagekraft der Falciani-Daten begrenzt ist: Der Politiker versicherte, nur über seinen Vater auf die Liste gelangt zu sein. Der habe ihn für sein Genfer Konto als Bevollmächtigten angegeben. Er selber aber habe nie Geld in der Schweiz deponiert. Andere Prominente beteuerten, sie hätten zwar Geld in der Schweiz, aber sie versteuerten es.
Tatsache ist, dass im Jahr 2009 die Regierung mit einer grosszügigen Steueramnestie zahlreiche Italiener dazu brachte, ihr in der Schweiz verstecktes Geld zu legalisieren. Falciani selber äusserte sich vor einem halben Jahr zur Affäre, als er in Rom sein Buch vorstellte: Italienische Steuerfahnder seien von Politikern an ihrer Arbeit gehindert worden.
Details nannte Falciani aber nicht. Damals sagte er allerdings auch, er werde – freies Geleit vorausgesetzt – zu seinem Prozess nach Bellinzona reisen, um sich zu erklären. Ein Versprechen, dass er heute zum zweiten Mal gebrochen hat.