Mindestens 56 Tote und mehr als 700 Verletzte, so lautet die vorläufige Bilanz nach den Explosionen auf einem Hafengelände der nordchinesischen Metropole Tianjin. Doch noch immer wird eine unbekannte Zahl von Menschen vermisst.
Das Hafenunternehmen Tianjin Port Group hatte gemeldet, «Dutzende» seiner Arbeiter seien nicht auffindbar. Ebenfalls vermisst werden 13 Feuerwehrleute, wie die Nachrichtenagentur Xinhua meldet. Bis am Freitag seien erst 32 Vermisste gefunden worden, berichten die Behörden. Laut Staatsmedien konnte am Morgen ein Feuerwehrmann lebend aus den Trümmern des Chemielagers gezogen werden.
Die Bevölkerung ist wütend wegen fehlender Information
Direkt betroffen von der Explosion sind laut Behördenaussagen rund 17000 Haushalte. Über 6000 Menschen wurden evakuiert. Die Behörden informieren laut SRF-Korrespondent Pascal Nufer immer noch sehr zurückhaltend über das Unglück. Deshalb werde in den sozialen Medien wild über die Ursachen der Explosion spekuliert.
Die Leute würden wegen der zurückhaltenden Behörden zudem zunehmend ungeduldig. «Um die Wut etwas einzudämmen, durften einige der Anwohner am Nachmittag kurz in ihre Häuser zurückkehren. So konnten sie wenigstens dringend benötigte Gegenstände holen», sagt Nufer.
Rätseln über die gefährlichen Chemikalien
Welche gefährlichen Güter im Lager am späten Mittwochabend Ortszeit explodiert sind, können die Behörden noch nicht sagen. Bestätigt wurde gemäss Nufer derzeit nur, dass die Explosion ein Lagerhaus der Firma Ruihai International Logistics zerstörte, in dem giftige Güter gelagert wurden.
Laut lokalen Medien handelte es sich dabei um ein Durchgangslager, wo Güter vor der Verzollung kurze Zeit gelagert werden. Da laut den Behörden auch ein Verwaltungsgebäude zerstört wurde, seien viele Dokumente vernichtet worden. «Wir wissen auch nicht, welche Mengen es waren», sagte ein Sprecher des Amtes für Produktsicherheit.
217 Chemiespezialisten des Militärs sind seit Donnerstagnachmittag am Unglücksort im Einsatz, wie Xinhua berichtet. Sie sollen dem Grund für die gewaltigen Explosionen auf die Spur kommen.
Nach chinesischen Medienberichten, die sich auf Mitarbeiter des zerstörten Chemielagers stützen, sind in dem Areal auch 700 Tonnen Natriumcyanid gelagert gewesen, das bei Reaktion mit Wasser hoch giftig ist. Sowohl Luft als auch Wasserqualität in der Nähe des Unglücksortes würden genau beobachtet, teilten die Behörden mit. Bisher seien die Werte aber normal.
Häuser zu nahe an Gefahrenzone gebaut
Wie das Staatsfernsehen berichtete, wurden Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten. Das Warenlager, in dem sich die Explosionen ereigneten, befand sich nur 600 Meter von Wohnhäusern entfernt. Vorgeschrieben sei jedoch mindestens ein Abstand von einem Kilometer. Durch die Druckwelle und herumfliegende Trümmer richteten die Explosionen selbst in einem kilometerweiten Umkreis noch Schäden an.
Unternehmen ziehen erste Schadensbilanzen
Inzwischen haben Firmen, die im Hafen von Tianjin Güter lagern, umschlagen oder in der Nähe produzieren, erste Schadensbilanzen gemeldet. Der Hafen ist der zehntgrösste solche Umschlagsplatz der Welt. Unter anderen waren folgende Firmen von den Explosionen betroffen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet:
- Toyota: Beim Automobilhersteller sind in der Fabrik für Personenfahrzeuge Fensterscheiben zerbrochen. Verletzt worden sei aber niemand.
- Renault: Der französische Konzern meldet über 1000 beschädigte Fahrzeuge, die im Hafengelände abgestellt waren.
- Hyundai: Der südkoreanische Produzent hatte rund 4000 Fahrzeuge parkiert. Die Schäden seien aber noch nicht aufgenommen worden.
- BHP Billiton: Der australisch-britische Minengigant leidet unter dem Unterbruch der Schiffsoperationen im Hafen. Seine Entladeplätze seien aber nicht beschädigt.
- John Deere: Der amerikanische Landwirtschaftsausrüster beklagt mehrere Verletzte unter seinen Beschäftigten.