In Como, direkt nach der Schweizer Grenze bei Chiasso, stranden Hunderte von Migranten. Anders als für jene, die letztes Jahr über die Balkan-Route bis nach Deutschland reisten, ist für sie hier die Grenze geschlossen.
In Como versorgt die Caritas die Menschen. Doch es werden immer mehr, erklärte der Direktor von Caritas in der Diözese Como, Roberto Bernasconi: «Wir geben 400 Menschen Leuten zu Essen, wir bieten Waschmöglichkeiten und Kleider an. Das in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, das sich in der Gesundheitsversorgung engagiert.»
Zusätzlich helfen in Como Freiwillige der Tessiner Hilfsgruppe Associazione Firdaus. Auch sie bereiten täglich Mahlzeiten für mehrere hundert Personen zu.
Unklare Asylgesuche?
Die illegalen Grenzübertritte im Tessin sind innert weniger Monate auf über 5800 Personen angestiegen – im Juli waren es 3500. Viele Migranten haben bereits ein- oder mehrmals versucht, in die Schweiz einzureisen. Immer mehr Personen werden aber von der Grenzwache direkt nach Italien weggewiesen. Einige beklagen sich, dass ihr Asylgesuch gar nicht geprüft wurde.
Auch die Tessiner SP-Grossrätin Lisa Bosia wirft dem Schweizer Grenzwachtkorps vor, dass es Flüchtlinge ungeprüft zurückweise, die Verwandte in der Schweiz hätten, oder die ihr Asylgesuch nicht richtig formulieren: «Wenn einer sagt, er will in der Schweiz leben; oder dass er Angehörige in der Schweiz hat; dann ist das für mich eine Bitte um Asyl. Deutlicher kann man es nicht sagen.»
Schwierige Situation für Grenzwachtkorps
Das Schweizer Grenzwachtkorps dementiert solche Vorfälle. Wer in der Schweiz ein Asylgesuch stelle, werde in einem ordentlichen Verfahren abgeklärt. Die konsequente Haltung der Grenzwache wird von der Schweizer Flüchtlingshilfe genau beobachtet: Das Grenzwachtkorps arbeite mehrheitlich seriös. Trotzdem will die Flüchtlingshilfe Informationen überprüfen, wonach schutzbedürftige Menschen rechtswidrig zurückgewiesen würden.
Die Schweiz wolle nicht zum Transitland werden, weil sie dann rechnen müsste, dass die Schutzbedürftigen später zurücküberstellt würden. «Die Schweiz versucht sich daher zu schützen, das machen alle anderen Länder auch, und dadurch werden Schutzbedürftige in Europa hin und her geschoben. Das ist ein Armutszeugnis für Europa», erklärt Miriam Behrens, Direktorin der Schweizerische Flüchtlingshilfe.
Im kleinen Park unterhalb des Bahnhofs Como San Giovanni halten sich derzeit auch 80 bis 100 Minderjährige auf. Unbegleitete Minderjährige solle die Schweiz nicht zurückweisen, sondern in Obhut nehmen und Kindesschutzmassnahmen einzuleiten, fordert Behrens: «Gar nicht alle Kinder wollen in der Schweiz bleiben. Hier muss die Schweiz mit sozialpädagogischer Unterstützung versuchen, eine Lösung mit den Kindern zu finden. Die Rücküberstellung nach Italien ist sicher nicht die Lösung.»
Deutlicher Anstieg bei illegalen Einreisen
Im laufenden Jahr sind bis Ende Juli in der Schweiz 22'181 rechtswidrig eingereiste Menschen aufgegriffen worden. Allein im Juli waren es 7582 Personen. 4149 Menschen wurden an den Grenzen abgewiesen. Allein im Tessin wurden im Juli 3560 Personen umgehend wieder nach Italien zurückgeschickt, wie aus den Zahlen hervorgeht, die das Grenzwachtkorps (GWK) veröffentlicht hat.
Vor allem an der Südgrenze im Tessin stieg die Zahl der illegal Eingereisten seit Mitte Mai sprunghaft an. Seit Anfang Jahr sind es bereits 13'467 Aufgegriffene. Das Ziel der Migranten nach Ihrer Mittelmeer-Überfahrt nach Italien ist meistens Deutschland oder Skandinavien, wofür sie die Schweiz durchqueren müssen.
Zeltlager in Mailand
Wegen der Zurückweisung illegal eingereister Migranten an der Schweizer Grenze will nun die norditalienische Stadt Mailand Zelte für rund 3300 Flüchtlinge aufstellen, die sich in der Stadt aufhalten. Die Möglichkeit einer Unterbringung in Zelten werde mit der Präfektur geprüft, da es keine freien Plätze in den Flüchtlingseinrichtungen mehr gebe, teilte der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala mit. «Wer hier aus ganz Italien ankommt, will weiter ins Ausland. Da jetzt auch die Schweizer nur noch wenige über die Grenze lassen, stauen sich alle hier bei uns auf», sagt Sala der «Tagesschau».
Über 400 Migranten sind in einem Flüchtlingslager unweit des Hauptbahnhofs Milano Centrale untergebracht, in dem es eigentlich nur Schlafmöglichkeiten für 100 Personen gibt. Dabei handelt es sich vor allem um Migranten aus Eritrea, Äthiopien, Somalia und dem Sudan. Unter ihnen sind viele Minderjährige, die allein reisen. Sie wollten nach Deutschland weiter, aber die Schweizer Grenze ist für sie gesperrt.