Es ist eine triumphaler Sieg der Hindu-nationalistischen BJP und deren Spitzenkandidat Narendra Modi. 336 Sitze hatten die BJP und ihre Verbündeten bereits nach wenigen Stunden der Auszählung gewonnen.
Für die absolute Mehrheit sind 272 Sitze nötig. Die BJP erreicht diese mit mindestens 276 Sitzen. Dies hatte sei 30 Jahren keine Partei mehr geschafft. Und somit ist klar: Der neue Premier in Indien heisst Narendra Modi. Sollte sich das Ergebnis bewahrheiten, hätte der 63-jährige Modi die stärkste Regierungsmehrheit seit 1984.
Modi, der in Kürze zum Premier aufsteigen dürfte, zeigte sich nach dem Wahlsieg als erstes seinen Anhängern in seinem Wahlkreis Vadodara im westindischen Bundesstaat Gujarat. «Gute Zeiten werden kommen», rief er tausenden jubelnden Menschen zu und dankte ihnen für ihre «Liebe». Zuvor hatte der 63-jährige Junggeselle bereits über Twitter verkündet: «Indien hat gewonnen.»
Ende einer Dynastie
Die Wähler straften die bislang regierende Kongresspartei und ihren Kandidaten Rahul Gandhi regelrecht ab. «Wir akzeptieren den Willen der Wähler, heissen ihn willkommen und sehen unsere Niederlage ein», sagte der führende Kongresspolitiker Satyavrat Chaturvedi laut der Agentur IANS.
Die Partei der Gandhi-Nehru-Familie, der wichtigsten Politikerdynastie des Landes, muss das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten einstecken. Sie hatte zehn Jahre lang als Familiendynastie regiert. Damit ist jetzt Schluss. Sie war durch zahlreiche Korruptionsaffären geschwächt, ihr Spitzenkandidat Rahul Gandhi von der Gandhi-Dynastie galt als führungsschwach. Anhänger seiner Partei riefen am Freitag bereits nach seiner populäreren Schwester Priyanka als Nachfolgerin.
«Die Wähler sind enttäuscht»
Der scheidende Premierminister Manmohan Singh gratulierte Modi telefonisch, wie sein Büro über den Kurzbotschaftendienst Twitter mitteilte. Der 81-jährige Wirtschaftswissenschaftler will sich künftig aus der Politik zurückziehen.
«Die Wähler sind enttäuscht», sagt SRF-Korrespondentin Karin Wenger. In den letzten Jahren habe es riesige Korruptionsskandale gegeben, die der Kongresspartei geschadet haben. Zudem wurde das Wirtschaftswachstum halbiert. Die Kongresspartei hat mit Sozialprogrammen versucht, die Leute bei der Stange zu halten. Doch den jungen Wählern habe das nicht gereicht, «sie wollten Jobs».
Modis Versprechen kommen an
Dass die Hindu-Nationalisten so gut abschnitten, liegt laut Wenger vor allem am Spitzenkandidaten Modi. «Er liess sich als Mann vermarkten, der vom einfachen Teeverkäufer zum Regierungschef des Gujarat emporgestiegen ist.» Er schaffte es, sich als Kandidat für alle darzustellen.
Modi hatte während Wochen eine aggressive Kampagne im ganzen Land geführt. Er versprach, die lahmende Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und Jobs zu schaffen – so wie er es im Bundesstaat Gujarat geschafft hat.
«Das ist, was die meisten Wähler wollen. Dafür sind sie anscheinend gewillt, Modis Verbindungen zur faschistischen Organisation RSS zu übersehen», ist die SRF-Korrespondentin überzeugt.
Vergessen scheinen die religiösen Ausschreitungen von 2002: Damals wurden in Gujarat über Tausend Menschen, vor allem Muslime, umgebracht. Modi liess die gewaltbereiten Hindu-Nationalisten gewähren.
Vor einer nationalistischen Regierung fürchten sich daher vor allem die Minderheiten und damit die 150 Millionen Muslime des Landes. Die RSS hat laut Wenger eine klare Vision: Indien soll wieder eine reine Hindu-Nation werden. «Die Frage ist nun, wie stark wird sich Modi, wird sich die BJP von der RSS beeinflussen lassen?»
Grösste Wahl aller Zeiten
Die Abstimmung in Indien war die grösste demokratische Wahl der Menschheitsgeschichte. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen hatten ihre Stimme mit Hilfe von 1,8 Millionen elektronischen Wahlmaschinen abgegeben. Die Ergebnisse können per Knopfdruck abgerufen werden. Die Wahl gilt als grösste der Menschheitsgeschichte.
Die Wahlbeteiligung lag mit 66 Prozent so hoch wie nie zuvor in Indien. Insgesamt hatte sich die Abstimmung über fünf Wochen hingezogen, damit Wahlhelfer die gigantische Abstimmung organisieren und Sicherheitskräfte die Wahllokale bewachen konnten. Angetreten waren 8251 Kandidaten, darunter 668 Frauen und fünf Transsexuelle.