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International «Es gibt keine gute Kontrolle entlang der Ägäisküste»

Obwohl die Türkei mit der EU vereinbart hat, die Grenze besser zu sichern, strömen die Flüchtlinge ununterbrochen aus der Türkei nach Griechenland. Laut UNO sind es seit Anfang Jahr Zehntausende. Hält die Türkei sich nicht an ihre Versprechen?

SRF News: Hält die Türkei nicht, was sie der EU versprochen hat?

Thomas Seibert

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Der Journalist Thomas Seibert ist USA-Korrespondent des «Berliner Tagesspiegels». Zuvor berichtete er während 20 Jahren für verschiedene Zeitungen und Radiosender aus der Türkei.

Thomas Seibert: Die Türkei sagt jedenfalls, sie tue viel. Im Februar seien die Zahlen stark gesunken, sagt der türkische Europaminister. Derzeit würden nur noch 300 Flüchtlinge pro Tag nach Griechenland fahren. Administrativ hat die Türkei einiges verändert. Sie hat die Visumspflicht für Iraker verschärft.

Auch Syrer, die über Drittstaaten in die Türkei kommen, brauchen ein Visum. Damit versucht die Türkei, den Zustrom von Flüchtlingen ins eigene Land zu bremsen und damit auch die Zahlen derer zu senken, die nach Europa gelangen. Gleichzeitig versucht die Türkei, Rücknahmeabkommen mit den Ursprungsländern der Flüchtlinge abzuschliessen, etwa mit Afghanistan.

Kürzlich wurde gemeldet, dass es auch Fortschritte gibt bei der Rückübernahme von Flüchtlingen aus Griechenland. So seien nun 150 Menschen aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht worden. Das sind zwar noch keine Zahlen, die die Anzahl fliehender Menschen merklich stoppen können. Doch die Türkei sagt, sie arbeite dran.

Zwischen den 300 Flüchtlingen, die täglich aus der Türkei über die Ägäis weiterreisen, wie die Türkei sagt und den 2000 bis 3000 täglich, welche das UNO- Flüchtlingshilfswerk meldet, besteht doch eine grosse Diskrepanz .

Die Türken reden die Sache etwas schön. Sie wollen gegenüber den Europäern mit Ergebnissen aufwarten können. Andererseits gibt es keine besonders gute Kontrolle entlang der Ägäisküste. Es grassieren auch Gerüchte von Korruption, also dass Schlepperbanden mit lokalen Behörden zusammenarbeiten würden. Die Behörden drücken dann beide Augen zu. Und jeder weiss, von wo die Flüchtlingsboote abfahren. Nur die Polizei taucht da nie auf.

Es grassieren auch Gerüchte von Korruption, also dass Schlepperbanden mit lokalen Behörden zusammenarbeiten würden.

In der Ägäis kreuzen seit einiger Zeit Natoschiffe, die Flüchtlinge aufnehmen und in die Türkei zurückbringen sollen. Warum dürfen diese Schiffe gewisse Gewässer nicht befahren?

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Der Grund für diese Schwierigkeiten liegt in einem uralten Grenzstreit zwischen Griechenland und der Türkei. Die genaue Grenzlinie in der Ägäis ist umstritten. Das ist eine hochpolitische Angelegenheit in beiden Ländern. Die Nato sagte nun vor einigen Tagen, man habe das Problem dadurch gelöst, dass die beiden Küstenwachen nur in ihren Ländern kontrollieren. Die Natoschiffe dürfen dann überall fahren.

Das Misstrauen der EU gegenüber der Türkei ist durch das Verhalten der Regierung wieder gewachsen?

Ich glaube, da haben beide Seiten eine gewisse Verantwortung. Erdogan weiss natürlich genau, dass er am längeren Hebel ist, dass die Europäer dringend die Mitarbeit der Türkei brauchen, deswegen treibt er den Preis hoch. Es gibt diesen Streit, wie hoch die Finanzmittel der EU ausfallen sollen. Andererseits, und da sind die Europäer gefragt, gibt es seit Wochen ein Gerangel darüber, wie diese drei Milliarden eigentlich zu Stande kommen sollen. Da fühlen sich die Türken ein wenig verschaukelt, dass sie immer nur liefern sollen.

Was heisst das für den Gipfel zwischen der EU und der Türkei von nächstem Montag?

Es wird sehr schwierig, einen Durchbruch zu erzielen. Ich glaube nicht, dass da über Nacht die Flüchtlingskrise gelöst werden kann. Der EU-Ratspräsident Tusk ist morgen und übermorgen in der Türkei, er trifft Ministerpräsident Davotoglu und Präsident Erdogan am Freitag. Diese vorbereitenden Gespräche könnten sehr wichtig werden für den Verlauf des Gipfels.

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