Grossbritannien hat gleich doppelt gewählt. Es ging nicht nur um die Europawahlen, sondern auch um die Kommunalwahlen. In 161 englischen Gemeinden waren insgesamt mehr als 4000 Ratssitze zu vergeben. Und hier ist die UKIP, die United Kingdom Independence Party, die grosse Überfliegerin.
Die EU-skeptische Partei kann deutliche Gewinne verbuchen. Nach der Auszählung von rund die Hälfte der Gemeinden verbuchte die UKIP einen Zugewinn von knapp 100 Sitzen. Bisher verfügte sie lediglich über einen Sitz.
Die zumindest ausserhalb von London erstaunlich hohen Zugewinne für UKIP seien vermutlich eher auf die Kampagne gegen Einwanderer zurückzuführen als auf den Wunsch nach einem EU-Austritt, sagt SRF-Korrespondent Martin Alioth. «Den höchsten Preis für den Vormarsch der UKIP zahlen die Konservativen. Das hat man auf kommunaler Ebene so nicht erwartet.»
Europawahl – Grossbritannien
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Bild 1 von 5. Positionen der wichtigsten Parteien Grossbritanniens:. In Grossbritannien ist die Einwanderung das Thema Nummer eins. Die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party (UKIP) machte mit einer prononcierten Anti-EU-Haltung und einer ebenso harten Haltung gegenüber Ausländern Stimmung. Ihr Wahlslogan: «We want our country back». 2009 landete die Partei mit16,5 Prozent auf Platz zwei. Bildquelle: smartvote.ch.
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Bild 2 von 5. Positionen der wichtigsten Parteien Grossbritanniens:. In Grossbritannien sind Europawahlen auch Protestwahlen. Das bekam die damals regierende Labour-Partei 2009 schmerzhaft zu spüren – sie verlor satte 6,9 Punkte. Bildquelle: smartvote.ch.
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Bild 3 von 5. Positionen der wichtigsten Parteien Grossbritanniens:. Die EU ist auch bei den konservativen Tories ein Thema – meist kein besonders positives. Sie profitierten vor fünf Jahren von den starken Verlusten der Labour-Partei und wurden bei der Europawahl stärkste Kraft (27,7 Prozent). Bildquelle: smartvote.ch.
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Bild 4 von 5. Positionen der wichtigsten Parteien Grossbritanniens:. Die Scottish National Party gilt als separatistische, linksliberale Partei Schottlands. Im Schottischen Parlament ist sie die stärkste Kraft. Europapolitisch sieht sich die SNP als pro-europäisch und fordert die Einführung des Euro auf der Insel, respektive in Schottland. Bildquelle: smartvote.ch.
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Bild 5 von 5. Positionen der wichtigsten Parteien Grossbritanniens:. Die Liberaldemokraten von Vizepremier Nick Clegg sprechen sich, anders als ihr konservativer Koalitionspartner, für Europa aus. 2009 wurden sie mit 13,7 Prozent viertstärkste Kraft. Bildquelle: smartvote.ch.
Der Erfolg von UKIP erscheine umso erstaunlicher, als dass die Partei auf Gemeindeebene kein Programm habe. Möglicherweise sei eben in Grossbritannien die umstrittene Freizügigkeit auf lokaler Ebene ein Magnet, so Alioth.
Auch Labour verliert Stimmen an Farage
Nach vier Jahren liberal-konservativer Sparpolitik hatte die Labour-Partei – im Moment in der Opposition – auf einen Durchbruch gehofft. Diese Rechnung ist aber nicht aufgegangen. Zwar erziele Labour Zugewinne, allerdings vor allem auf Kosten der Liberaldemokraten, die für ihre Regierungsbeteiligung bestraft würden, erklärt Alioth. Aber auch Labour verliere Stimmen an die UKIP.
Gleichzeitig mit den Gemeindewahlen lief die Europawahl, deren offizielle Resultate erst am Sonntag veröffentlicht werden. Ob die UKIP auch hier vorprescht, ist laut Alioth noch nicht absehbar. Es werde es aber wahrscheinlicher, dass Farage auch hier erfolgreich sei und Labour auf den zweiten Platz verdrängen werde.
Folgen für die nationalen Wahlen?
Die Gemeindewahlen gelten auch als Gradmesser für die nächsten nationalen Wahlen in einem Jahr. Rückschlüsse bereits jetzt zu ziehen sei sehr heikel, sagt Alioth. Denn bei Kommunal- und Europawahlen geniesse die Wählerschaft immer eine gewisse Narrenfreiheit, da es nicht um ihre eigene Regierung für die nächsten vier Jahre gehe.
Laut Alioth deutet aber alles auf einen Patt hin: Labour wird wohl von UKIP daran gehindert, eine Mehrheit zu erreichen. Die Konservativen werden zahlreiche Sitze nicht gewinnen, weil sie einen Prozentsatz ihres Wählerreservoirs an UKIP verlieren.
Dies werde die Mehrheitsverhältnisse im nächsten Unterhaus stark beeinflussen, auch wenn UKIP nicht zwingend eine grosse Fraktion stelle: «Aufgrund der ersten Ergebnisse muss konstatiert werden: Grossbritannien hat im Moment ein Vierparteiensystem.»