«Europa verliert jährlich bis zu 40 Milliarden Euro, weil es keinen vernetzten Energiemarkt hat», sagte Energie-Kommissar Miguel Arias Cañete in Brüssel. Wie Autobahnen, sollten auch die Stromleitungen nicht an Staatsgrenzen enden.
Der am Mittwoch präsentierte Strategieplan der EU-Kommission sieht vor, die Grenzen zwischen den 28 nationalen Märkten aufzuheben. Die Energiepolitik der Mitgliedsländer soll künftig in der «Energie-Union» koordiniert werden. Bei Gaseinkäufen möchte die EU-Kommission von Anfang an über Verhandlungen mit Drittstaaten informiert werden.
Wohl ist die EU weltweit der grösste Energie-Importeur. Aber erst ein gemeinsamer Auftritt würde ihr auf dem Energie-Markt das nötige Gewicht geben, meint die EU-Kommission.
Mehr Unabhängigkeit von Energielieferanten
Ziel der künftigen Energie- und Klimastrategie ist Versorgungsicherheit, Transparenz auf dem Markt, mehr Wettbewerb und weniger Abhängigkeit von mächtigen Energielieferanten wie beispielsweise Russland.
Diese grössere Unabhängigkeit sei aber nicht automatisch gegeben, nur weil die EU gemeinsam einkaufe, sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel. Gelinge es aber, zusätzliche, grenzüberschreitende Strom- und Gasleitungen zu bauen, dann sinke die kurzfristige Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten im Krisenfall. Denn so könne die vorhandene Energie innerhalb Europas besser verteilt werden.
Auch enthält das Projekt Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und für eine umfangreichere Produktion von Ökostrom. «Das Herzstück der neuen Energiepolitik muss der Klimaschutz sein», sagte EU-Kommissar Cañete. Der Ausstoss von Treibhausgasen müsse gesenkt und erneuerbare Energie gefördert werden.
Jeder Mitgliedstaat mit eigener Energiepolitik
Nach den Plänen der EU-Kommission soll die «Energie-Union» ab 2030 funktionstüchtig sein. Doch wie gross sind die Chancen, dass diese Union wirklich kommt? Es sei ein sehr umfassendes und ehrgeiziges Programm, so EU-Korrespondent Ramspeck.
Es gebe unbestrittene Forderungen wie die, dass die Mitgliedstaaten beim Bau von Strom- und Gasleitungen innerhalb der EU enger zusammenarbeiten sollen. «Hier stehen die Chancen sicher sehr gut.» Andere Teile des Projekts sind aber heftig umstritten: «Ich denke dabei zum Beispiel an die Harmonisierung der Fördersysteme für Ökostrom. Diese Forderung erscheint im Moment völlig unrealistisch.»
Denn jeder Mitgliedstaat hat eine landestypische Struktur der Energieversorgung. «Davon hängt die Haltung zur geplanten Union ab», so Ramspeck. Deutschland fördere schon heute viel Ökostrom und sei gut vernetzt. Das Land stehe dem Projekt deshalb positiv gegenüber. Frankreich mit seinen Atomkraftwerken hingegen sei viel skeptischer und finde, eine solche Union sei nicht nötig. Und Länder wie Polen, die immer noch viel Kohle verheizen, fürchteten sich vor zu strengen Umweltschutzauflagen.