Belgien hat nach den Anschlägen auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» buchstäblich schweres Geschütz aufgefahren. Bis zu 300 Soldaten patrouillieren in den Städten Brüssel und Antwerpen, um in den Städten gefährdete Einrichtungen – darunter die Gebäude der EU und der Nato – zu schützen.
Zweithöchste Alarmstufe
Genau genommen sind die Massnahmen, die sich auch in einer Erhöhung der Alarmbereitschaft der Sicherheitskräfte auf die zweithöchste Stufe niederschlagen, aber nicht nur durch die Attentate in Paris veranlasst; sie haben ihre Legitimation auch und besonders durch die prekären Vorkommnisse im östlichen Belgien vor rund einer Woche erhalten.
Wie SRF News bereits berichtet hat, ist es den Behörden in Verviers – nach eigenen Angaben in letzter Minute – gelungen, vermittels eines breit angelegten Anti-Terror-Einsatzes einen gezielten islamistischen Anschlag auf Polizei-Beamte zu verhindern.
Zwölf-Punkte-Plan
Am vergangenen Freitag, also im umittelbaren Anschluss an die Grossrazzia der Polizei, hat die rechtsliberale Regierung einen Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt. Gemäss SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck soll er – mit Fokus auf die Gefahr, die von Dschihad-Rückkehrern aus Syrien und dem Irak ausgehen kann – die innere Sicherheit des Landes kurzfristig erhöhen und hierfür auch Gesetzesänderungen vorsehen. «Beispielsweise sollen Richter die Möglichkeit erhalten, die Pässe von potentiellen Dschihadisten einzuziehen», erläutert Ramspeck. «Und Doppelbürgern soll bei Terrorgefahr die belgische Staatbürgerschaft entzogen werden können.»
Von einem Panikzustand weit entfernt
Was die Stimmung im Volke betrifft, geriert sich das Land Belgien widersprüchlich. Auf der einen Seite ist der Anti-Terror-Einsatz zwar in Gesprächen und in den Medien das bestimmende Thema. Auf der anderen Seite scheint die Nation von einem Angst- oder gar Panikzustand weit entfernt. Korrespondent Ramspeck führt diese relative Gelassenheit auf die Selbst-Wahrnehmung der Belgier zurück. Die Belgier würden sich nämlich selbst gerne als gelassen und gleichmütig beschreiben.
Warum ausgerechnet Belgien?
Nichts desto trotz treibe die belgische Gesellschaft eine Frage um: «Warum ist ausgerechnet Belgien das Land in Europa mit den – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung – meisten Dschihadisten?» Laut Ramspeck werden die Kämpfer, die Belgien in Richtung Syrien und Irak verlassen haben, auf 300, von gewissen Experten gar auf 600, geschätzt.
Eine Erklärung für diesen Sachverhalt stehe aus, doch werde der schwache nationale Zusammenhalt einerseits und die Abschottung vieler Muslime in eigenen Stadtteilen andererseits derzeit als möglicher «Nährboden für Extremismus und Terrorismus» diskutiert.
Pegida auch hier
Die politische Agenda hat sich im Anschluss an die jüngsten Vorkommnisse im Land noch nicht markant verändert. Gradmesser in dieser Hinsicht mag aber eine am kommenden Montag geplante Kundgebung in Antwerpen sein, die laut Ramspeck als erste «Pegida-Demo» gewertet wird. Ihr Name «Vlativa» bringt zum Ausdruck, wer einer ihr wichtigsten Unterstützer ist: die rechtspopulistische Regionalpartei Vlaams Blok. «Mit Spannung», so Ramspeck, «erwarten politische Beobachter, wie viele Menschen die Organisatoren werden mobilisieren können.»