Nach Angaben eines irakischen Milizenchefs sind bei Kämpfen in der Nähe der westlichen Provinzhauptstadt Ramadi 62 Extremisten getötet worden. Unter den Getöteten sei auch der Islamisten-Chef in der Provinz Al-Anbar, Abu Abderrahman al-Bagdadi. Die Polizei berichtet zudem von Dutzenden getöteten Zivilisten in Falludscha, zwischen Ramadi und Bagdad.
Regierungstruppen bekämpfen die islamistischen Extremisten zusammen mit sunnitischen Milizen. Zuvor hatte die irakische Regierung die Kontrolle über die beiden Städte Falludscha und Ramadi verloren.
Die Extremisten stehen der al-Kaida nahe und sind als «Islamischer Staat im Irak und der Levante» organisiert. Diese Gruppe kämpft auch in Syrien gegen das Assad-Regime und hat durch den dortigen Bürgerkrieg mehr Bewegungsfreiheit erhalten.
Innerirakischer Machtkampf
Ausgelöst hat die Gewalt in Ramadi und Falludscha die Schliessung eines sunnitischen Protestlagers durch die Regierung Maliki und die Verhaftung eines sunnitischen Parlamentariers. Maliki hatte behauptet, das Protestlager sei von al-Kaida unterwandert. Dafür gebe es allerdings «überhaupt keine Beweise», sagt NZZ-Korrespondentin Inga Rogg gegenüber SRF.
Die Provinz Al-Anbar war schon während der US-Besatzung von al-Kaida-Kämpfern unterwandert. Die amerikanischen Truppen vertrieben sie vor ein paar Jahren mithilfe von lokalen Bürgerwehren und Stämmen. Jetzt profitieren die sunnitischen Extremisten vom innerirakischen Machtkampf zwischen dem schiitischen Regierungschef und den Sunniten und kehren in ihre einstige Hochburg zurück.
Irakische Bevölkerung zwischen allen Fronten
Für die Bevölkerung im Irak ist das eine Horrornachricht zu Beginn des neuen Jahres. Die Sicherheitslage verschlechtert sich nochmals dramatisch, nachdem bereits im vergangenen Jahr mehr als 8000 Menschen der Gewalt zum Opfer gefallen sind. Die Bevölkerung stehe denn auch «auf keinen Fall» auf der Seite der al-Kaida, sagt Korrespondentin Rogg. «Sie steht aber auch nicht unbedingt auf Seiten der Regierung – sie steht zwischen den Fronten.»
Ein Ende der Gewalt im Irak ist nicht abzusehen. Für April sind Wahlen terminiert. Und bis dann müsse mit weiteren Gewalttaten gerechnet werden, sagt Rogg. «Vor Parlamentswahlen im Irak steigt die Gewalt immer an.» Denn die Politiker würden jeweils die konfessionelle Karte spielen und die Stimmung anheizen, um Wähler zu mobilisieren.
Wie kann die ausufernde Gewalt im Land eingedämmt werden? Für Rogg ist klar: «Man müsste sich an einen Tisch setzen und die heiklen politischen Fragen klären.» Diese seien seit Jahren die gleichen. Es gehe um die Verteilung der Macht im Staat, die Rechtstaatlichkeit des Irak und die Verteilung der Erdöl-Einkünfte.