SRF News: Fünf Polizisten werden im Rahmen eines zunächst friedlichen Protests erschossen. Würden Sie davon ausgehen, dass es sich um Einzeltäter handelt oder muss von einer allgemeinen Eskalation des Konfliktes ausgegangen werden?
Beat Soltermann: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine offiziellen Angaben vor, wer hinter der Tat steckt oder warum sie begangen wurde. Es ist deshalb im Moment noch verfrüht, Aussagen über die Motive der Täter selber zu machen. Klar scheint: Die Täter müssen sich irgendwie gekannt und abgesprochen haben. Sie haben als Gruppe gehandelt. In den USA wird natürlich über einen Zusammenhang zur tödlichen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner spekuliert. Andere Experten sagen, die Aktion könnte auch einen terroristischen Hintergrund haben, da die Täter sehr gut ausgerüstet und trainiert waren. Das ist aber alles Spekulation. Einziger Fakt: Es ist die grösste Attacke auf die Polizei in den USA seit den Anschlägen von 9/11.
War eine latente Wut auf die Polizisten zuvor im Alltag spürbar? Oder hatte sich der Konflikt vor den jüngsten Fällen von durch die Polizei erschossenen Afroamerikanern eher beruhigt?
Zwar haben zahlreiche Polizeicorps in den letzten Monaten viel unternommen, um ihre Leute besser auszubilden und sie auch zu sensibilisieren. Doch die Polizeigewalt ist leider nicht wirklich zurückgegangen. Neue Daten der «Washington Post» zeigen, dass im ersten Halbjahr 2016 rund 500 Leute von Polizisten getötet wurden. Das sind mehr als in der gleichen Periode des Vorjahres. Die Daten machen zwar keine Angaben zur Hautfarbe und dazu, ob die Polizisten bedroht wurden, aber die Tendenz ist eindeutig. Zu viele Menschen sterben auf diese Weise in den USA. Und noch was: Gegen fehlbare Polizisten wird zwar seit Ferguson und Baltimore strenger durchgegriffen, aber die allermeisten von ihnen werden freigesprochen
In den USA läuft parallel zum Konflikt zwischen schwarzen und weissen Polizisten die Debatte rund um das Waffengesetz. Sehen Sie Zusammenhänge?
Es ist in den USA einfacher als in andere Ländern, eine Waffe zu erwerben. Die Gesetze sind sehr lasch, und in Washington gibt es keinen politischen Willen, die Gesetze zu verschärfen. Noch ist unklar, wie die Täter von Dallas an ihre Waffen gekommen sind. Dort, wo viele Waffen sind, kann es auch eher zu einem Missbrauch kommen.
Die Betroffenheit in den USA ist gross – nicht das erste Mal. Wird diese Tat das Land verändern, Stichwort «Solidarität»?
Im Moment rückt das Land sicher zusammen. Ob das nachhaltig sein wird, lässt sich schwer beurteilen. In den sozialen Medien oder auch im Fernsehen spürt man Schock, Trauer und Wut. Das sind auch die Reaktionen der Menschen, mit denen ich bislang gesprochen habe. Und auch Präsident Obama hat sich in diese Richtung geäussert: Das Land müsse jetzt zusammenstehen.
Die USA befinden sich mitten im Wahlkampf. Was bedeuten die tödlichen Angriffe auf Polizisten für das Präsidentschaftsrennen?
Die Geschichte wird sicher zu einem Thema werden. Losgelöst davon, wer hinter dieser Tat steckt und was die genauen Hintergründe sind, werden im Wahlkampf Themen wie die Terrorbekämpfung, die schlechteren Chancen der Afroamerikaner, die Justizreform und die Rolle der Polizei in den Fokus rücken.