Folterungen, willkürliche Hinrichtungen und Vergewaltigungen gehören in Eritrea zum politischen Alltag. Rund 500 Seiten umfasst der erschütternde Bericht der dreiköpfigen Ermittlergruppe des UNO-Menschenrechtsrats.
Weite Teile der Bevölkerung des Staates am Roten Meer mit etwa 6,4 Millionen Einwohnern seien zudem Zwangsarbeit sowie einem zeitlich unbefristetem Militärdienst und ungesetzlichen Inhaftierungen ausgesetzt, heisst es im Bericht der Eritrea-Untersuchungskommission der Vereinten Nationen.
Orwellsches System zur Überwachung
Das Regime von Staatschef Issaias Afewerki, der in den 1990er Jahren auch von manchen westlichen Politikern als fortschrittlicher Hoffnungsträger für Afrika gepriesen worden war, betreibe ein Orwellsches System der Massenüberwachung, berichtet die Kommission.
Familienmitglieder etwa müssten der Regierung über ihre eigenen Verwandten Bericht erstatten. «Wenn ich in Eritrea bin, traue ich mich kaum zu denken, weil ich Angst habe, dass die Menschen meine Gedanken lesen können», zitiert der Bericht einen Zeugen.
Die vom Staat gesammelten Informationen würden willkürlich benutzt, um die Bevölkerung in einen permanenten Zustand der Angst zu versetzen, heisst es im Bericht weiter. Dieses Klima der Angst ersticke jede Opposition. «Eritrea ist ein totalitärer Staat», konstatieren die Experten unter Leitung des australischen Juristen Mike Smith.
Flucht als Hoffnungsschimmer
Die meisten Eritreer sähen sich mit einer scheinbar ausweglosen Notlage konfrontiert. «In ihrer Verzweiflung riskieren sie tödliche Fluchtrouten durch Wüsten und Bürgerkriegsländer und den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer.»
Fast 360'000 Eritreer sind nach UNO-Angaben derzeit als Flüchtlinge in Europa registriert. Die meisten von ihnen in der Schweiz, Deutschland und Schweden. Aus keinem anderen Land Afrikas fliehen so viele Menschen nach Europa wie aus Eritrea.
Die UNO-Kommission appelliert an alle Staaten, eritreische Asylsuchende nicht zur Rückkehr zu zwingen. Das Regime bestrafe «jeden, der versucht, das Land ohne Genehmigung zu verlassen».
Wer die Flüchtlinge beschuldige, sie verliessen ihr Land aus rein wirtschaftlichen Gründen, übersehe die desaströse Menschenrechtslage im Land. «Die Eritreer haben das Recht auf internationalen Schutz», forderte die Kommission, die vor einem Jahr vom UNO-Menschenrechtsrat berufen wurde.
Regime behinderte die Arbeit
Die eritreische Regierung hat den UNO-Ermittlern jegliche Zusammenarbeit verweigert und sie nicht einreisen lassen. Grundlage ihres Berichts sind daher 550 vertrauliche Interviews mit Zeugen ausserhalb Eritreas sowie 160 schriftliche Berichte von Betroffenen.
Viele potenzielle Zeugen lehnten selbst in Asylländern noch aus Angst vor Übergriffen sowie vor Repressalien gegen zurückgebliebene Verwandte eine Aussage vor den Ermittlern ab.
Über die Lage in Eritrea und den Untersuchungsbericht will der UNO-Menschenrechtsrat im Rahmen seiner am 15. Juni beginnenden Sommersitzung öffentlich beraten.