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International Flüchtlingskrise: Kroatien transportiert Flüchtlinge nach Ungarn

Kroatien ist heillos überfordert mit den Flüchtlingen. Das Land bringt sie nun in Bussen an Ungarns Grenzen. Dort werden sie nur vereinzelt ins Land gelassen. Die Ereignisse im Überblick.

  • Kroatien hat die Kontrolle über den Zustrom der Flüchtlinge verloren
  • In Bussen werden die Flüchtlinge an die ungarische Grenze gefahren
  • Ungarn baut einen weiteren Stacheldrahtzaun, lässt vereinzelt Flüchtlinge aus Kroatien passieren
  • Österreich unterstützt Slowenien bei Grenzkontrollen

+++ Entwicklung in Kroatien +++

Kroatien hat nach den Worten von Ministerpräsident Zoran Milanovic die Kontrolle über den Zustrom Tausender Flüchtlinge verloren. Mehr als 17'000 Flüchtlinge haben seit Mittwoch Kroatien erreicht. Die Last könne nicht länger getragen werden, sagte Milanovic.

Die Flüchtlinge könnten nicht mehr registriert und untergebracht werden. «Sie bekommen Nahrungsmittel, Wasser und medizinische Hilfe, dann können sie ihre Reise fortsetzen», fügte der Regierungschef hinzu.

Wir haben ein Herz, aber auch einen Kopf
Autor: Zoran Milanovic Regierungschef

Das Land hat nun mit dem Transport der Flüchtlinge nach Ungarn begonnen. «Wir organisieren Transporte von Migranten (...) nach Ungarn», sagte ein Vertreter des Innenministeriums in Zagreb. Insgesamt sollen 19 Busse unterwegs sein.

Entgegen anderslautenden Ankündigungen hat Ungarn die Grenze für Hunderte Migranten aus Kroatien geöffnet. Über zehn kroatische Busse mit Migranten passierten im Dorf Beremend die Grenze. Nach Angaben der ungarischen Polizei werden die Migranten nun registriert. Wie lange die Grenze geöffnet bleibt, ist allerdings unklar.

Viele Menschen versuchen aber auch mittels Zügen aus Beli Manastir wegzukommen. Bilder zeigen dramatische Szenen: da werden kleine Kinder durch Zugsfenster in vollgestopfte Züge gereist, dort steht ein Mann mit drei kleinen Kindern in den Armen auf dem Zugsgleis – wissend, dass er in jenem Zug keinen Platz mehr findet.

Zuvor hatte Kroatien die Strassen zu sieben von acht Grenzübergängen zu Serbien abgeriegelt. Damit wurde auch der Verkehr am Grenzübergang in Tovarnik gestoppt. Dort waren bisher die meisten Flüchtlinge angekommen.

Der kroatische Oppositionsführer Tomislav Karamarko verlangt deshalb den Einsatz der Armee, um den Andrang aus Serbien zu stoppen.

Video
Grosse Verwirrung unter den Flüchtlingen
Aus 10 vor 10 vom 18.09.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 37 Sekunden.

Die ständig ändernden Verhältnisse setzen den Flüchtlingen zu, beobachtet SRF-Sonderkorrespondentin Nina Blaser von der serbisch-kroatischen Grenze. Oftmals wissen sie nicht, in welchem Land sie sich gerade befinden. Namen von Ländern können sie deren geografischer Lage oftmals nicht zuordnen.

+++ Slowenien rechnet mit 1000 Flüchtlingen in 24 Stunden +++

Die vielen Flüchtlinge, welche die Route über die kroatische Grenze wählen, weichen unterdessen auch nach Slowenien aus. Das Land hat deshalb beschlossen ebenfalls restriktiver vorzugehen. Der Zugverkehr auf der Hauptstrecke aus Kroatien an der Grenze bei Dobova wurde eingestellt.

Slowenien rechnet laut Innenministerium in den nächsten 24 Stunden mit 1000 Flüchtlingen. Die meisten kämen wohl aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb.

Sloweniens Regierung erwägt deshalb die Einrichtung eines Korridors durch das Land für Flüchtlinge. Sollte der Druck durch den Zustrom von Migranten für Slowenien zu gross werden, werde man über eine solche Massnahme mit den betroffenen anderen Staaten sprechen, sagt Ministerpräsident Miro Cerar.

Slowenien wirft Kroatien den Verstoss gegen den Schengen-Vertrag vor, der auch die Sicherung der EU-Aussengrenzen vorsieht. Kroatien lässt Flüchtlinge, die aus dem Nicht-EU-Land Serbien kommen, derzeit ohne Registrierung passieren.

Rund 8000 Flüchtlinge warten in Beli Manastir im Nordosten des Landes nahe Ungarn, um weiter in Richtung Slowenien reisen zu können. Slowenien will allerdings einige Hundert Flüchtlinge schon zurückschicken.

Die slowenische Polizei hat bereits in der Nacht 250 Menschen aufgegriffen, die von Kroatien nach Slowenien eingereist sind. 150 von ihnen waren mit entsprechenden Fahrkarten in einem Zug nach Zürich unterwegs. Kroatien weigert sich jedoch, die Flüchtlinge wieder einreisen zu lassen. Der internationale Zugverkehr mit Kroatien blieb bis mindestens bis 18:00 Uhr unterbrochen.

+++ Österreich unterstützt Slowenien +++

Österreich will Slowenien bei Kontrollen an der slowenisch-kroatischen Grenze unterstützen. Ab kommender Woche sollen bis zu 30 «Spezialisten» entsandt werden, teilte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit.

An der Aussengrenze entscheidet sich, ob wir in Europa geordnete Verhältnisse haben
Autor: Johanna Mikl-Leitner Österreichische Innenministerin

«Der Fokus Europas muss auf der Kontrolle der Schengener Aussengrenze liegen. Da müssen wir zusammen helfen», so Mikl-Leitner.

Video
Hilfe aus Brüssel
Aus Tagesschau vom 18.09.2015.
abspielen. Laufzeit 58 Sekunden.

Eine schnelle Hilfe aus Brüssel sei derzeit aber nicht zu erwarten, sagt EU-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Einzelne Staaten, wie etwa Slowenien oder Kroatien hätten bislang keine finanzielle Soforthilfe aus Brüssel angefordert. Das aus gutem Grund, meint Ramspeck. An die Hilfe der EU seien auch Bedingungen geknüpft, wie beispielsweise ein europäischer Verteilschlüssel.

+++ Halbe Million Flüchtlinge nach Europa gelangt +++

In diesem Jahr sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits 473'887 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gelangt.

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind in Ungarn im zweiten Quartal 2015 die meisten erstmaligen Asylanträge in Europa eingegangen. Zwischen April und Juni entfielen auf eine Million Einwohner 3317 Antragsteller. Das geht aus Zahlen hervor, die die EU-Statistikbehörde Eurostat veröffentlicht hat. In absoluten Zahlen lag Ungarn mit 32'700 Menschen auf Platz zwei hinter Deutschland mit 80'900 Erstanträgen.

Einen grossen Anstieg der Erstanträge gab es – im Vergleich zum Vorquartal – in den Niederlanden (+159 Prozent), in Lettland (+123 Prozent), in Österreich (+79 Prozent), in Finnland (+67 Prozent) und in Dänemark (+66 Prozent).

Die meisten Asylbewerber – 44'000 beziehungsweise 21 Prozent – aller EU-Erstanträge kamen aus Syrien. Gefolgt von Menschen aus Afghanistan und Albanien. Letzte stellen die drittgrösste Gruppe dar. Fast alle von ihnen haben sich in Deutschland um Asyl beworben.

+++ Ungarn baut weiteren Zaun +++

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat bekannt gegeben: Zur Abwehr von Flüchtlingen an der ungarisch-kroatischen Grenze habe der Bau eines weiteren Stacheldrahtzauns begonnen. 500 Soldaten hätten in der Nacht mit der Absperrung begonnen, so Orbán.

Der Zaun entsteht an einem 41 Kilometer langen Abschnitt an der Grenze zu Kroatien. An der 175 Kilometer langen Grenze zu Serbien steht bereits in voller Länge eine Sperranlage.

Die komplette Abschottung an der Grenze zu Serbien hatte am vergangenen Dienstag dazu geführt, dass Tausende Flüchtlinge neue Wege nach Westeuropa suchen. Sie tun dies seither über die Grenze nach Kroatien und Slowenien.

Zudem dehnt Ungarn «wegen Masseneinwanderung» den Notstand auf vier weitere Gebiete im Süden des Landes aus. Der Flüchtlingsnotstand gilt nun auch für die Verwaltungsbezirke Baranya, Somogy, Zala und Vas. Diese liegen an den Grenzen zu Kroatien, Slowenien und Österreich.

Der sogenannte Krisenfall für die beiden Verwaltungsbezirke Bacs-Kiskun und Csongrad, an der Grenze zu Serbien, wurde bereits am Dienstag ausgerufen.

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