Schärfere Kontrollen der Aussengrenzen und eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei: Europa schlägt in der Flüchtlingspolitik einen härteren Kurs ein. Die Staats- und Regierungschefs machten zum Auftakt ihres Herbst-Gipfels klar: Viele Migranten sollten gar nicht erst in die Europäische Union kommen – wenn möglich.
Türkei soll unterstützt werden
«Alles, was uns hilft, dass Flüchtlingen dort bleiben können und dort menschlich behandelt werden, wo sie sind, ist richtig», sagte der österreichische Bundeskanzler Werner Fayman. Frankreichs Präsident François Hollande erklärte, es gehe darum, Länder wie die Türkei, Jordanien und den Libanon zu unterstützen, um dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge dort blieben.
Für eine engere Kooperation mit der Türkei in der Flüchtlingspolitik hat die EU-Kommission bereits einen Aktionsplan ausgearbeitet. Im Gegenzug für eine schnelle Umsetzung stellt die EU der Regierung in Ankara ein Entgegenkommen in anderen Bereichen in Aussicht.
Dabei geht es zum Beispiel um Visa-Erleichterungen und zusätzliche Finanzhilfen. Unmittelbar vor dem Gipfel gab es Bewegung in den Gesprächen. «Das wird was werden», sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. «Die Türkei ist das Schlüsselelement, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu kriegen.»
Schweden am Limit
Als Hintergrund für das starke EU-Engagement in Drittstaaten gilt die Einsicht: Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist derzeit eine gerechte Lastenverteilung nicht umsetzbar. Selbst Schweden, das bislang im Verhältnis zur Einwohnerzahl am meisten Asylbewerber akzeptiert, stellte klar, dass es so nicht weitergehen könne.
«Schweden nimmt nicht einfach immer weiter seinen Teil auf, solange das andere Länder nicht auch tun», sagte Regierungschef Stefan Löfven in Brüssel. Die aktuelle Situation sei «nicht akzeptabel».
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die EU-Partnerländer auf, ihre finanziellen und personellen Verpflichtungen in der Flüchtlingskrise zu erfüllen.
Nach scharfer Kritik von Juncker zeichnete sich ab, dass EU-Staaten zumindest weitere Zahlungszusagen machen. Der Luxemburger rechnete vor, dass Mitgliedstaaten versprochene Gelder in Höhe von mehr als 2,2 Milliarden Euro bislang nicht zur Verfügung gestellt hätten. Sie sollen unter anderem in einen Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika, Nachbarländer von Syrien und an die Welthungerhilfe fliessen.
Gespräche über Syrienkrise</h1>
Am Rande des Gipfels diskutierte Bundeskanzlerin Merkel mit dem französischen Präsidenten François Hollande und dem britischen Premier David Cameron über die Lage in Syrien. Dabei sei man sich einig gewesen, dass die drei Länder ihre Bemühungen um eine politische Lösung verstärken wollten, hiess es aus Delegationskreisen.
In der Abschlusserklärung zum Gipfel soll nach Angaben von Diplomaten auch das russische Eingreifen in den Konflikt eine Rolle spielen. In einem Entwurf für das Dokument hiess es: Die Gipfelteilnehmer seien besorgt über die russischen Angriffe auf die syrische Opposition und auf Zivilisten sowie das Risiko weiterer militärischer Eskalation.
Bislang nur kleine Schritte
Für SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck ist klar: «Den grossen Wurf in der Flüchtlingspolitik gibt es nach wie vor nicht.» Es sei viel geredet und gestritten worden. Einige Beschlüsse seien zustande gekommen – aber nur zaghaft umgesetzt worden.
Warum? «Die EU besteht aus 28 Mitgliedstaaten, das sind 28 Regierungen, die völlig unterschiedliche Sichtweisen haben – gerade beim hochemotionalen Thema Flüchtlinge», sagt Ramspeck. Was fehle, sei eine Person, die Entscheide schnell umsetzen kann. «Darum wird auch dieser vierte EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise in diesem Jahr mit kleinen Schritten zu Ende gehen. Wobei noch nicht klar ist, in welche Richtung die Beschlüsse gehen werden.»